Nordbayerische Zeitung, 10./11. Mai 2014

Frauenbilder starren zurück

kunst galerie fürth: Malerin Justine Otto


"Heute ist morgen schon gestern" - auf Englisch klingt so ein Ausstellungstitel noch intellektueller. Justine Otto mag es ruinös und rätselhaft. Obwohl ihre Gemälde in realistischem Duktus gehalten sind, darf der Besucher sich in der kunst galerie fürth den Kopf zerbrechen.

"Bloß nicht zu intellektuell rangehen und alles gleich deuten wollen", legt die Künstlerin dem Betrachter ans Herz. "Dies alles ist in erster Linie Malerei."

Justine Otto, 1974 in Polen geboren, bevölkert ihren Kosmos mit blonden jungen Frauen, die alle eine gewisse Herbe ausstrahlen, und viel Tatkraft. Anders gesagt: Beschützerinstinkte wecken die Damen ganz bestimmt nicht. Dabei wären diese durchaus angebracht, bevorzugen die Frauen doch Räume und Ambiente, die der körperlichen und seelischen Unversehrtheit nicht gerade zuträglich scheinen.

Es sind dies ruinöse, geradezu einsturzgefährdete Behausungen mit Schimmelbiotop, klaffenden Löchern in Boden und Decke. Auf jeden Fall haben die Räume ihre ursprüngliche Bestimmung verloren. Neubestimmung durch Improvisation ist angesagt. Was geht dort vor sich? Die Frauen, die sich allesamt ähneln wie Schwestern, hängen Lichterketten auf, entdecken glühende Energiekugeln, füllen Flaschen ab, oder umgeben sich mit echten und eingebildeten Pappkameraden und Phantomen.

Dazu gehören auch ominöse farbige Kreise, die wie Seifenblasen durch ein Treibhaus schweben - würde es ihnen nicht an Plastizität mangeln. Männer spielen in Ottos Kosmos kaum eine Rolle. Im Gegensatz zur Taffheit der Gesichter suggeriert die Bekleidung der Frauen - Tutu, weißes Hemd, Ballettkragen - allerdings doch eine Attitüde von Fragilität.

Starke Verletzlichkeit und doch innere Stärke strahlen Ottos vier Porträts ein und desselben Modells aus: vier Kopfbilder, der Titel lautet jeweils "o.T.", dann folgt ein Vorname. Damit spielt Justine Otto mit der Erwartungshaltung des Betrachters: die Identifizierbarkeit wird sowohl eingelöst als auch verweigert, denn welchen Namen trägt nun die Dargestellte wirklich (es sei denn, es sind Vierlinge)?

Was an diesen Portraits besonders berührt: Otto gestaltet jedes Gesicht mit einem geballten Zusammenspiel kontrastierender Farbtöne - Orange, Violett, Weiß -, die sich zu einem vibrierenden Ganzen aus Harmonie und Spannung fügen. Darüber hinaus zieht die Künstlerin noch eine rote oder weiße Linie durch das Gesicht. Narben? Kriegsbemalung? "Sie deuten schon wieder zu viel hinein", grummelt die Malerin.

Das Zentrum der Ausstellung bildet eine Installation namens "Zimmer": ein gemütlicher Winkel wie bei Oma, mit Ohrensessel, Kommode, einem Wolfskopf und vielen Bildchen an der Wand. Bloß irritieren diese Bilder. Sie zeigen Frauen bei der Arbeit, repräsentierende Paare, Gruppen von Menschen, deren Zusammengehörigkeit durch chemische Strukturformeln verdeutlicht wird - und immer wieder einzelne Augen, vor allem Tieraugen, deren Spezies der Betrachter zuordnen muss, und die folgerichtig aus ovalen Rahmen blicken.

Ein Hauch von Paranoia geht von diesen Bildern aus, dabei dreht Otto das Verhältnis Bild - Betrachter lediglich um: wenn ein Bild angestarrt wird, hat es auch das Recht zurückzustarren.

Reinhard Kalb




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