Nürnberger Nachrichten, 15./16.11.2014

Blick in die Tiefen der menschlichen Seele


kunst galerie fürth zeigt die erste Retrospektive des 2010 verstorbenen Zeichners und Bildhauers Botond

Vier Jahre nach seinem Tod wird das Werk des Nürnberger Künstlers Botond erstmals mit einer Retrospektive gewürdigt. Das Verdienst gebührt der kunst galerie fürth und ihrem Leiter Hans-Peter Miksch, der gemeinsam mit Botonds Witwe Lioba Pilgram eine Ausstellung konzipierte, die ins Innerste eines großen Lebenswerks führt.

Als der Zeichner und Bildhauer Botond im Oktober 2010 mit nur 61 Jahren starb, hinterließ er ein so gewaltiges wie facettenreiches Oeuvre. Über 20 Werkgruppen aus den verschiedensten Materialien - Bronze, Blech, Stahl, Papier, Kunststoff, LKW-Planen - gehören dazu. Im Zentrum aber steht immer der Mensch - sein Leiden an der Welt, seine Zerstörungskraft, seine Sehnsucht nach Erlösung.

Selbst ein weit größeres Haus als die kleine Fürther Kunsthalle hätte Botonds komplexes Werk nur schwerlich in seiner Gesamtheit abbilden können. Hans-Peter Miksch machte aus den räumlichen Beschränkungen eine Tugend und konzentrierte sich auf das Thema "Köpfe", das den 1979 aus Ungarn nach Nürnberg übergesiedelten gelernten Goldschmied sein ganzes Künstlerleben lang begleitete. Die frühesten Arbeiten stammen von 1984 - Graphitzeichnungen mit kräftigen, dynamischen Strichbündeln, die der Kopfform Gestalt geben, eine Haltung andeuten, aber ohne Ausdruck sind. Das Gesicht bleibt weiße Leerfläche. Diese Arbeiten findet man oben auf der Galerie. Wie Botond die Köpfe, die Antlitze später zu Skulpturen und Plastiken formte, deren Ausdruck an existenzielle Fragen rührt, das kann man unten im Hauptraum erleben.

Auf weißen Sockeln liegen dort Köpfe aus Stahldraht, die Form fast amorph, wie verwittert, oder aus Kunststoffbandagen, deren weißliche Farbe an Knochen erinnert. Drei Köpfe aus Bronze und Edelstahl gleichen komischen Grimassen, zugleich wirken sie gänzlich hilflos und ausgeliefert. Und dann die Köpfe aus der Serie "Schlaf", die Botond aus gestauchten, zerrissenen, verklebten, vernähten LKW-Planen schuf. Mit ihnen hat er dem Thema zuletzt noch eine weitere, zutiefst berührende Facette abgerungen. So versehrt, so müde und erschöpft von der Welt ruhen sie da, dass man glaubt, durch ihre Gesichter in die Tiefen der menschlichen Seele zu blicken.

Botonds intensive Beschäftigung mit Köpfen wird aber auch mit dem "Homo bellicosus", mit einer fratzenhaften Maske aus Zeitungspapier oder dem nur scheinbar harmlosen Materialbild aus der Serie "Maci - der Bär" belegt. Arbeiten wie diese zeigen die große emotionale Ambivalenz, die er den Köpfen auch verlieht. Auf den ersten Blick lassen sie schmunzeln, auf den zweiten erschrickt man vor ihrer Doppelgesichtigkeit.

Ein rares Werk ist das Porträt eines alten Mannes mit Denkerstirn, eine fast plastische Papiercollage, die so lebensecht wirkt, dass man sich fragt, wer dafür Modell stand. Erschütternd wiederum sind die späten Selbstporträts, die der krebskranke Künstler im Wissen um seinen baldigen Tod schuf und die von der Angst, dem Schmerz, auch der Wut erzählen, die ihn ihm getobt haben müssen.

Nein, man vermisst nichts in dieser zwangsläufig ausschnitthaft bleibenden Retrospektive - auch nicht die Arbeiten aus dem wohl bekanntesten Zyklus "Buch und Bibliothek". Mit dem gewählten Thema "Köpfe" kommt die Ausstellung dem ganzen Botond, seinem Leben und Werk, sehr nahe. Die ruhige, klassisch museale Inszenierung entspricht den Arbeiten dabei aufs Allerschönste.

Regina Urban

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