Fürther Nachrichten, 10./11.10.2015

Tattoos - Für immer und ewig


Das geht unter die Haut: „Skin Stories. Tattoo & Kunst“, eine Ausstellung in der kunst galerie fürth, präsentiert bis 8. November Werke auf höchst lebendigem Zeichengrund. Die Schau, die in Kooperation mit dem Kulturamt entstand, ist ein Beitrag zum Großraum-Festival „net:works“.


Wie oft trifft man im Leben Entscheidungen, die für immer sind? Tätowierungen fallen jedenfalls ganz klar in diese Kategorie. Sie werden zu unauslöschlichen Körperzeichen – Radierversuche mit dem Laser seien jetzt einmal außen vor gelassen. Was mit der Nadel subkutan gestichelt wird, verbindet sich mit dem Bezeichneten so permanent wie kaum eine andere Bindung. Da liegt freilich die Überlegung nahe, ob es statt eines Steißgeweihs nicht doch lieber Kunst sein darf.

Eine Frage, die längst von vielen mit Ja beantwortet wurde. Herausragende Beispiele solcher künstlerischer Auseinandersetzung sind jetzt in der kunst galerie am Königsplatz versammelt. Mehr als 30 internationale und regionale Tattoo-Artisten werden vorgestellt. Dabei ist zum Beispiel Timm Ulrichs, der sich schon 1974 eine Zielscheibe über dem Herzen tätowieren ließ; seit 1981 stehen auf seinem rechten Augenlid die Worte „The End“. Auch der Nürnberger Paco Graves ist in der Fürther Schau vertreten oder Volker Merschky und Simone Pfaff aus Würzburg.

„Skin Stories“ ist Teil des Großraumfestivals net:works, das sich in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach bis 25. Oktober mit dem Thema „Kunst und Öffentlichkeit zwischen analog und digital“ auseinandersetzt. Aber wie passt ausgerechnet eine Beschäftigung mit Körperkunst in diesen Kontext? Kulturamtsleiterin Claudia Floritz macht klar: „Was wir zeigen, ist ein Gegenpol, eine Antithese zu den flüchtigen Botschaften der digitalen Welt.“ Es sei reizvoll und spannend, nach den Gründen zu forschen, warum sich die längst zahlreichen Träger von Tattoos für dauerhafte analoge Nachrichten entschieden haben, die sie mehr oder weniger offen zur Schau tragen.

Unerschrockene Probanden

Was einen Menschen im Innersten bewegt, das will auch Natascha Stellmach ergründen. Die Künstlerin aus Australien, die in Melbourne und Berlin lebt und arbeitet, zeigt in der kunst galerie Dokumente ihrer Arbeit und ist am 24. und 25. Oktober mit „The Letting go – Bloodline Tattoo Performance“ vor Ort. Dabei stellt sie Freiwilligen die Frage: „Was möchtest du loslassen?“ Im Gespräch kristallisieren sich Obsessionen, Ängste, Bedrohungen heraus, bis sich ein Wort findet, dass als Leitmotiv taugt. Diesen Begriff tätowiert Natascha Stellmach ihren Probanden auf den Körper – ohne Tinte. Zu sehen ist für kurze Zeit ein blutiger Schriftzug, der bald wieder ohne Narben verheilt.

„Ich mache diese Performance seit 2013“, erklärte Natascha Stellmach gestern in der kunst galerie, „und ich bin immer wieder verblüfft und fasziniert davon, wie sehr sich die Menschen öffnen und zugleich zum Spiegelbild von mir, von allen, von der Gesellschaft werden.“ Ihre Performance wird in Fürth für Zuschauer zugänglich sein, allerdings bleiben die Gespräche, die der Tätowierung vorausgehen, für das Publikum tabu.

Einen Bruch mit gleich mehreren Tabus provozierte der belgische Konzeptkünstler Wim Delvoye unter anderem mit der Tätowierung lebender Schweine. „Donata“, ein – inzwischen ausgestopftes — Tier, ist nun in der städtischen Galerie eingezogen. Dezent präsentiert an einem lauschigen Platz unter dem Treppenaufgang trägt es seine Haut zur Schau, die üppig mit Zündkerze, Weißkopfadler und US-Flagge bezeichnet ist.

Im Rahmen der Schau kommen in einem für „Skin Stories“ in Auftrag gegebenen Film der MedienPraxis beide Seiten der Nadel zu Wort: Tätowierer und Tätowierte nehmen Stellung zu Motivationen und Zielen. Zum Begleitprogramm zählen außerdem Filme im Uferpalast (Würzburger Straße 2).

Sabine Rempe




Copyright: © kunst galerie fürth 2007
https://www.fuerth.de/kunstgaleriefuerth/desktopdefault.aspx/tabid-1034/