Nordbayerische Zeitung, 9./10.7.2016

Farbe bringt das Auge zum Flirren


Zu entdecken: Rupprecht Geiger in Fürth

Wer kennt den Maler Rupprecht Geiger? Der Mann hat ein biblisches Alter erreicht, beinahe hätte er sein 102. Lebensjahr vollendet. Und gemalt hat er fast bis zum letzten Tag. Dennoch ist der Münchner hierzulande nur Kennern ein Begriff. Nun präsentiert die kunst galerie fürth mit der Ausstellung "Metapher Zahl" einen kleinen, aber repräsentativen Einblick in sein Werk.

Farbe, nur sie allein zählte für Rupprecht Geiger (1908-2009). Sie wollte er loslösen vom Zwang, eine Form zu erklären. Dennoch bediente sich Geiger diverser geometrischer Grundformen wie Kreis oder Rechteck. Weitere Grundformen sind die Ziffern von 0 bis 9. Die Serigraphien, Bilder in Acryl, Ölkreide oder gar mit Tagesleuchtpigmenten, wie sie das Militär verwendet, präsentieren immer dieselben Grundformen in immer anderen Arrangements.

So gesehen, ist bei Rupprecht Geiger ab den 1960er Jahren bis zu seinem Tod keine Entwicklung feststellbar. Der Mann hatte sein Thema gefunden und über Jahrzehnte in immer neuen Variationen erforscht.

Wir sehen also eine neunteilige Serigraphie-Serie aus den 1980er Jahren: einen großen Farbball in sattem Orange auf dunklem Grund, oder in frühreifem Tomatenrot vor grellem Magenta. Wie überhaupt Rot in allen Nuancen und Nebentönen von Orange bis Indigo Geigers Elementarfarbe darstellt. Reines Grün und Blau sucht man vergebens. Gelegentlich ist dem Farbball noch ein Farbbalken in dezentem Violett horizontal oder vertikal beigesellt. Der Farbeindruck ist höchst intensiv, der Kontrast zwischen den Farben bringt das Auge zum Flirren.

Aber da gibt es noch etwas, Elemente nämlich, die erst beim dritten Hinsehen auffallen. Der Farbball ist fast nie genau in die Mitte des Bildes platziert, sein Zentrum befindet sich immer ein paar Zentimeter seitlich oder senkrecht versetzt von der Bildmitte. Desgleichen ist der Ball nicht exakt kreisrund, sondern leicht in die Breite gedrückt. Zwar immer noch eher dem Kreis als dem Oval verhaftet, aber doch als Abweichung von der exakten Form erkennbar. Und schließlich besteht der Ball nicht aus einem einzigen Rot- oder Orangeton, sondern verläuft von oben nach unten fast unmerklich von helleren zu dunkleren, von blasseren zu intensiveren Farbnuancen.

Erst im Vergleich mit den Entwürfen zu den Zahlenmetaphern in Graphit und Ölkreide fällt schließlich beim Betrachter der Groschen. Die Arrangements aus Kugel, Rechteck und Balken sind bis aufs Äußerste stilisierte Umsetzungen von Ziffern. So ist die Ziffer Eins ein vertikaler Strich neben einem Rechteck, die Fünf ein Farbball mit einem nach rechts versetzten Balken darüber.

Als Sohn des im Dritten Reich nicht gelittenen Malers Willi Geiger, empfing Rupprecht als 15-Jähriger bei einem Aufenthalt in Spanien in den 1920er Jahren prägende Eindrücke durch die Landschaft. Freilich war es nicht das Zusammenspiel der Topographie, sondern das Erlebnis der Lichtwirkung. Da fällt es nicht schwer, den leicht ovalen Ball als eine sinkende oder aufgehende Sonne im Dunst zu interpretieren.

Eigentlich gelernter Architekt, überstand Geiger den Krieg als Kriegsmaler; im Frieden probierte er autodidaktisch sämtliche Malstile aus, bis er bald zur nichtgegenständlichen Malerei fand und dieser treu blieb. Wobei Geiger durchaus mit der Plastik experimentierte. Wirken seine Bilder bewusst plakativ und zweidimensional, so sind plastische Übersetzungen seiner Arrangements aus Rechteck, Kreis und Balken in die Dreidimensionalität ebenfalls höchst plakativ, da die Gebilde aus Holz mit leuchtintensiven Farben bemalt und die Klebestellen so gut wie unsichtbar sind.

Eine Schule hat Rupprecht Geiger nicht begründet. Tätig bis zuletzt, bleibt er in der Kunstlandschaft der nichtgegenständlichen Malerei ein Solitär, den es neu zu entdecken gilt.

Reinhard Kalb

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