18. November bis 23. Dezember

Dietmar Pfister - "pfeilschnell ist das Jetzt entflogen"


"Dreifach ist der Schritt der Zeit:/ Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,/ Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen./ Ewig still steht die Vergangenheit.//" Friedrich Schiller aus „Sprüche des Konfuzius“

Mit diesem Schiller-Zitat überschreibt Dietmar Pfister seine Ausstellung in der städtischen Kunsthalle. Dass seine Schau auch einen retrospektiven Charakter hat, was durch die geringe Zahl der Exponate auf Grund der Beschränktheit des Ausstellungsraumes ja nicht offensichtlich sein mag, legt das Zitat nahe.

Dietmar Pfister, Jahrgang 1943, ist eigentlich bekannt als Buchobjekt-Künstler. Doch nach Jahrzehnten, in denen dieser Bibliophile sich mit seiner Nischen-Kunst („Visuelle Poesie“) international einen Namen gemacht hat, kehrt er einerseits zurück zur skripturalen Malerei seiner Anfänge um 1980, andererseits überrascht er diejenigen, die ihn mit seinen Kleinplastiken/Buchobjekten zu kennen glaubten, als Urheber von raumgreifenden Installationen. Dabei bleibt er seinem, von Stéphane Mallarmé entliehenen Motto treu, dass die Welt im Grunde dazu da sei, auf ein schönes Buch hinauszulaufen („…sommaire veut, que tout, au monde, existe pour aboutir à un beau livre“). Und macht weiterhin aus schönen Büchern oder klugen Sätzen und Sentenzen - und neuerdings aus Beton oder einem Tarnnetz - „Schöne Kunst“.

Die Verbindung von Schrift und bildender Kunst gilt bis heute als eine strittige Angelegenheit. Künstler, die das ablehnen, haben jede Form der Literarisierung gerne als ein Abgleiten in die Illustration gebrandmarkt. Von Zeit zu Zeit wurde entsprechender Kunst der Begriff ‚narrativ‘ als pejoratives Attribut zugeordnet. Verpönt ist weithin eine Malerei, die Geschichten darstellt, das Suggerieren oder Indizieren von Geschichten ist dagegen opportun. Eine rein textorientierte Kunst wie bei Lawrence Weiner erfährt Akzeptanz unter dem Begriff der Konzeptkunst.

Bei der Triennale in Schweinfurt 2012 präsentierte Dietmar Pfister erstmals den „Club der toten  Dichter“. Die Bodeninstallation verbreitet mit ihrer Mischung aus in Beton gegossenen Büchern und großen Tierknochen eine Endzeitstimmung. 2016 entstand eine gut acht Meter breite Wandinstallation aus vielen blauen Buchdeckeln mit dem Titel „Die Blauen Bücher (Die Wand)“. Diese Permutation kann man sich prinzipiell unendlich vorstellen, denn wer könnte sagen, wieviele blaue Buchdeckel es gibt und ob blaue Einbände je außer Mode kommen werden? Die dritte Installation („aufgeschrieben (Das Zelt III)“) ist völlig neu, sie ist zugleich das dritte ‚literarische Zelt‘ (nach dem ersten von 1985 im Kunstverein Kirchzarten und dem zweiten mit dem Titel „aufschreiben (Das Zelt II)“ bei der Doppelausstellung mit Günter Uecker 1988 im Kunstverein Ulm). Dieses Zelt bzw. Tarnnetz mit zahllosen Blättern aus rezeptionsgeschichtlich bedeutsamen Büchern ist nun gewissermaßen Dietmar Pfisters Buch der Bücher. An der Innenseite des gebrauchten Tarnnetzes hängen Buchseiten einiger der bedeutendsten philosophischen und religiösen Bücher wie herbstliche Blätter am Baum. Die Betrachter finden sich unter dem Zelt wie unter einem Firmament wieder, an das an die Stelle der Sterne Buchseiten geheftet sind (gleich, ob aus dem „Kapital“ von Marx, aus der Bibel oder dem Koran und anderen rezeptionsgeschichtlich hochwirksamen Druckerzeugnissen). Die Buchseiten wurden nicht unbedingt ausgewählt im Sinne von repräsentativen Schlüsselzitaten, sondern nicht selten wie bei der Stichomantie/dem Däumeln, mit anderen Worten dem intuitiven Aufschlagen eines heiligen Textes oder eben dem raschen Blättern mit dem Daumen, um aus einer zufälligen Fundstelle eine Weissagung auf eine an sich unbeantwortbare Frage zu bekommen.

Nachdem Dietmar Pfisters vielbeachtete skripturale Malerei im Jahr 2015 ein starker Beitrag der Ausstellung „Das Wort wird Bild“ zum Reformationsjubiläum war, zeigt die städtische Galerie nun eine der seltenen Einzelausstellungen des Künstlers (die letzte Solo-Show in Franken fand 2014 zur Einweihung des Neubaus der Stadtbibliothek Nürnberg statt).

 

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