Nordbayerische Zeitung, 1./2.7.2017

Spiegelbilder aus Shenzhen


"10 im Zeichen des Hahns" sind zehn bildende Künstler aus der Metropolregion, die zum Austausch in China waren. Zur 20-jährigen Partnerschaft Nordbayerns mit Shenzhen ist eine arglose Gruppenschau entstanden. Kritisches bleibt weitgehend außen vor.

Land des Lächelns, das ist ein operettenhafter Begriff. Denn dass Künstlern, die sich in China trauen, auf die Menschenrechtssituation Bezug zu nehmen, das Lachen rasch vergeht, wissen wir nicht erst seit Ai Weiwei. Aber nach solchen Gedanken kann man in der Fürther Ausstellung lange suchen.

Seit zwei Jahrzehnten unterhält die Metropolregion Nürnberg eine Städtepartnerschaft mit der Elf-Millionen-Metropole Shenzhen. Eine Freundschaft, vor allem im Zeichen wirtschaftlicher Interessen. Bildende Künstler und Orchester reisen auf diesem Ticket aber regelmäßig mit.

Die Ausstellung "10 im Zeichen des Hahns" war im Frühjahr in veränderter Form bereits im Stadtmuseum Schwabach zu sehe. (...) Der gemeinsame Nenner der Gruppenschau ist, dass alle Beteiligten mindestens einmal zum Künstleraustausch in der chinesischen Sonder-Wirtschaftszone waren. Mit welchem Ergebnis?

Heute modern, morgen bröckelt es

Ästhetisch könnten die Resultate kaum unterschiedlicher sein. Doch kennt man die angestammten Techniken der Beteiligten: Da ist Christian Höhn mit seinen bereits mehrfach gezeigten Hochhaus-Fotografien und Bernd Telle mit seinen Spiegelbildern. Da ist Birgit Nadrau, deren Metallzeichnungen prädestiniert dafür erscheinen, die Reizüberflutungen einer Riesenmetropole eingestichelt zu bekommen. Und auch Grashalm-Künstler Thomas May ist dabei, hier mit der Fotografie eines Kirschgartens, der im Schoß eines fünfstämmigen Baumes steckt. Frische Graskuppe davor, schön und gut. Aber frische Ideen?

Bei Michael Jordan wird es tatsächlich kurz aufregend. Mit seiner comichaften Zeichenserie auf chinesischem Druckpapier ist er im Reich der Mitte angeblich sogar der Zensur zum Opfer gefallen. Manches musste er übermalen, anderes wird erst jetzt gezeigt. Im Cover seines Künstlerbuchs hat Jordan nun im Nachhinein unverblümten Bezug auf die unerwünschten sexuellen oder politischen Motive genommen: "Can You Draw A Flower Here?" heißt bezeichnend das Werk.

Wir kennen Christoph Haupt als Maler, der seine Kunst immer gerne mal fernöstlich tränkt. In Fürth ist er mit dem großformatigen Gemälde "Wolkentee" vertreten, das zwei überzogen deformierte Teetrinkerinnen zeigt. Im Katalog, der zur Ausstellung erschienen ist, kann Haupt unter der Überschrift "Ich bin kein China-Fähn (engl. fan)" seinen Zugriff auf die weit verbreiteten, dabei frei erfundenen romantischen Vorstellungen von China erläutern. Er selbst betrachte das Land schlicht "als eine Art Kontrastmittel" für seine Kunst - in der Kröten-essende Chinesinnen schon mal eine "poetische Wahrheit" verkörpern dürfen: "Sie verhalten sich wie ein guter Schauspieler, der in der Lage ist, alles darzustellen."

Der Titel "10 im Zeichen des Hahns" ist übrigend nicht auf den Familiennamen von Heike Hahn gemünzt, der Organisatorin der Schau, sondern auf den chinesischen Kalender. (...) Als Foto- und Konzeptkünstlerin wiederum gewährt Heike Hahn einen Einblick in ihr Projekt "Sehnsuchtsorte". Auf Fotografien zeigt sie chinesische Strände, Gipfel und Blumenwiesen. Die Orte hat sie mit dem Siegel ihres frei erfundenen SHO-Instituts als amtlich geprüfte Sehnsuchtsorte gekennzeichnet. Das will sie aber bitte schön ironisch verstanden sehen.

Ein feines Kleinod ist die Serie "Fenster" der Malerin und Objektkünstlerin Annie Kuschel, in der es ihr gelingt, traditionelle chinesische Ornamente mit Hochhausperspektiven zusammenzubringen. "Heute noch modern, bröckelt bereits morgen die Fassade", sagt sie über Shenzhen. Die "Fenster"-Bilder rahmte sie entsprechend mit Beton.

Die in Nürnberg lebende Malerin Meng Yang ist mit drei nicht näher beschriebenen Bildern von Türmen und Tempeln vertreten. Bleiben noch die "performativen bildhauerischen Handlungen" Rainer Schenks. Ein Video zeigt ihn auf der Ladefläche eines chinesischen Mofas seinen "Shenzhen-Dance" tanzen - "weil man sich als Nichtasiate wie ständig auf dem Präsentierteller fühlt."

Fraglich, welcher Hahn morgen noch danach kräht.

Christian Mückl

 

 

Zurueck Zurück Versenden versendenDrucken drucken
2021 © kunst galerie fürth - Impressum