Nordbayerische Zeitung, 21.07.2018

Eine Entdeckung aus Fürth


Max Beckmann, Lovis Corinth, Max Slevogt, so heißt das Dreigestirn des Expressionismus. Nun präsentiert die kunst galerie fürth als artistisches Observatorium einen weiteren Himmelskörper: den Fürther Maler Benno Berneis.

Hach, ist das geil: Ein nackter Mann reitet ohne Sattel auf einem Pferd, wild bäumt sich der Gaul auf, denn der Reitersmann lenkt sein Tier direkt in die Meeresbrandung, um den Aufruhr der Elemente zu genießen. Ja, solche Bilder liebten die Symbolisten, denn man kann das Gemälde auch anders interpretieren, denn als naßforsches Reitvergnügen. Nämlich als Ringen mit der Triebnatur, mit dem Weibe schlechthin, eine Kraftprobe zwischen Wille und Widerstand.

Hach, ist das geil: Da glaubt man, alle relevanten Namen zum frühen Expressionismus zu überblicken. Und dann entdeckt man noch einen Maler, längst vergessen. Und der konnte etwas. Das ist so, als würde man auf einem Dachboden die Partituren eines früh verstorbenen Konkurrenten von Beethoven aufstöbern. Oder noch ein "Faust"-Drama aus der Goethezeit von unbekannter Hand.

Die Rede ist von Benno Berneis. 1883 in Fürth geboren, ließ er sich 1906 in Berlin nieder, studierte bei Beckmann, Corinth und Slevogt. Freiwillig meldete er sich 1914 zum Kriegseinsatz, kam zu den Fliegern und wurde 1916 über Frankreich abgeschossen.

Eine Gedenkausstellung gab es noch, dann senkte sich der Vorhang des Vergessens über das große Talent. Bis 2014 das Jüdische Museum in München ihn eher zufällig entdeckte und die Berlinische Galerie den unverkauften Nachlass, der die Zeitläufte im Privatbesitz überdauert hatte, begutachtete.

Mehr als eine Fußnote des Expressionismus

Elf Gemälde, sechs Kohlezeichnungen und eine Handvoll Skizzen präsentiert die kunst galerie fürth unter dem Titel "Dunkle Sehnsüchte, romantisches Talent". Doch Galerist Hans-Peter Miksch staunt: "Es gibt immer ein paar unbekannt gebliebene Künstler, aber nachdem ich die Originale gesehen habe, habe ich mich gefreut. Berneis hatte eine beachtliche Qualität erreicht."

Das lässt sich gut verfolgen. Die Kohlezeichnungen seines Großvaters und diverser Frauenfiguren zu Beginn seines Studiums sind noch ganz dem Realismus verpflichtet, dem Spiel mit Licht und Grauwerten. Großformatige Gemälde wie der "Reiter am Meer" (1913) präsentieren Mensch- und Tierakte in stilisierter Gebärde. Speziell der "heilige Georg" (1912) dürfte im Adamskostüm kaum Einlass in eine Kirche gefunden haben: hoch bäumt sich das Pferd, tief bckt sich der Reiter und rammt in einer Diagonale vom Pferdezügel über die Schulterblätter und den Arm entlang die Klinge in den Hals des Reptils.

Ein Gebilde, das beim ersten Blick wie die Hand Gottes aus den Wolken fährt, erweist sich beim zweiten Hinsehen als "Stürzender Engel" (1914). Eine androgyne nackte Gestalt stürzt kopfüber aus einem gelben Himmel, die stilisierten Flügel muten an wie eine abstrakte Wolkenstudie, und nur ein verkrüppelter Baum am Bildrand gibt einen Hinweis auf die Größendimensionen.

Biblische Themen und Theaterszenen sind Berneis`Vorlieben, beide bieten Stoff für große Gesten, sei es für die Schauspielerin an der Rampe, sei es für zwei "Kauernde Männer", die nackt den höheren Gewalten in Gestalt farbiger Blitze ausgeliefert sind: in Ergebung den Kopf senkend der eine, mit erhobener Faust aufbegehrend der andere.

Die zeitgenössische Presse verglich Benno Berneis mit Max Beckmann. Wie weit Berneis` Talent sich noch entfaltet hätte, vermag niemand zu sagen. Auf jeden Fall ist er mehr als eine Fußnote des frühen Expressionismus.

(c) Reinhard Kalb

 

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