Nürnberger Nachrichten/Nordbayerische Zeitung 24.11.2018

Die Holzbildhauer sind so frei


Zum Ausklang des Jahres 2018 und dem Fürther Motto "Architektur, Stadt, Urbanität" präsentiert die kunst galerie fürth unter dem Titel "Freiraum" eine Doppelausstellung mit Skulpturen der Holzbildhauer Detlef Waschkau und Joseph Stephan Wurmer

Wobei sich im Fall des in Berlin lebenden Bildhauers Detlef Waschkau (Jahrgang 1961) die Grenzen zwischen Flachrelief und Malerei verwischen. Tatsächlich handelt es sich bei seinen Stadtansichten um Hybridformen aus Malerei und Skulptur. Vier Platten aus Pappelholz klebt Waschkau übereinander, dann rückt er ihnen mit dem Beitel zu Leibe. Dabei arbeitet Waschkau nicht nur in die Tiefe, sondern teilt sein Bild in Raster ein, deren Flächen je ein unterschiedliches Stadium zwischen erster Skizze und Vollendung widerspiegeln.

So präsentiert sich sein "Gasometer" mit Straße, Bäumen und Parkbank davor nicht als ein massives Konstrukt, sondern als fragiles, zwischen fester Kontur und ätherischem Gespinst schillerndes Werk. Das Relief vermittelt die Dreidimensionalität der Architektur, doch die Anmutung des Gerüsts schwankt zwischen Architekturzeichnung, rohem unbemaltem Holz und perfekter Ausmalung.

Noch stärker zeigt das Werk "NYTS" den Times Square in New York als eine Collage verschiedener Arbeitsstufen von der Vorzeichnung bis zum Feinschliff. Nur dass die Bausteine eben nicht zusammengefügt sind, sondern aus einem Stück geschnitzt. Dabei dominiert die Geometrie der Gebäude das Bild und unterwirft die nur in Konturen umrissenen Passanten. Die Bauwerke selbst erscheinen nicht als Behausungen, sondern als potemkinsche Bauten, als Gerüste für Reklametafeln und Firmensignets oder als Spiegelflächen.

Breitbeinig steht der Banker da

Und der Mensch in Waschkaus Kosmos? Er löst sich auf, wie etwa der "Mann, Frankfurt": ein Banker, der zwar breitbeinig und statuarisch auf dem Gehsteig steht, jedoch ganz in sein Smartphone vertieft ist. Die Figur ist wie ihre Umgebung zwar konturiert, jedoch in einem Stadium der weitgehenden Unvollendung gehalten. Beim Betrachter entsteht der Eindruck, als wachse der Passant nicht, sondern löse sich auf. Als wäre er da, und doch nicht da.

Ganz anders geht der gebürtige Niederbayer und in Fürth lebende Künstler Joseph Stephan Wurmer (Jahrgang 1956) zu Werke. Der Absolvent der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg ist einer der wenigen Holzbildhauer, die sich ganz der Abstraktion verschrieben haben. Dabei arbeitet er seine Skulpturen mit der Kettensäge aus jeweils einem Holzblock heraus. Da stehen oder liegen ausgehöhlte Kegelformen oder Trommeln, die mit Durchstichen oder rechtwinkligen Sägemustern durchbrochen sind. Aus deren Innenwand gefährlich spitze Holzkeile ragen.

Doch es geht noch tiefer in die Materie: eine liegende Trommel aus der Serie "Ordnung und Chaos" gewährt an ihren Bodenflächen einen tief zerklüfteten Einblick in das Holzinnere. Hauchdünne "Etagen" überlappen sich einander (sic!), als hätte ein Termitenstamm ein Hochhaus für sich geschaffen. Dabei kontrastiert die glatte Fläche des Äußeren mit der chaotisch-expressiven, durch die Säge geschaffenen Innenwelt. Es lohnt sich, die Nase in die Öffnungen zu stecken, das Zedernholz sondert einen berauschenden Harzduft ab.

Weitere Werke, etwa aus der Reihe "Scala", verblüffen den Betrachter mit ihrer scheinbaren Flexibilität. Die Serie besteht aus vier oder fünf nebeneinanderhängenden Holzscheiben mit je einem rechtwinkligen Durchbruch. Die darin befindlichen Holzelemente scheinen wie Fensterläden auszuschwingen. Dabei sind die Läden unbeweglich, denn die Objekte hat Wurmer allesamt aus einem Stück Holz gearbeitet. Da ist nichts geleimt oder gedübelt oder verzapft. Und doch sind diese Läden in ihren Dimensionen so berechnet, dass sie theoretisch die Öffnung schließen könnten.

Reinhard Kalb

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