23. November 2007 bis 23. Dezember 2007

SEX in FÜRTH


Der Kulturring C als Aktionskreis Bildender Künstler in Fürth hat 26 Künstler/innen aus der Metropolregion eingeladen, Arbeiten zum Motto „SEX in FÜRTH“ zu zeigen. Das ist sein eindeutiger Beitrag zur 1000-Jahr-Feier. Obwohl das Motto Ambivalenz besitzt: Es klingt sachlich. Doch man spürt auch die Ironie in der Zusammenstellung (Berlin ist arm, aber sexy. Fürth ist ... sexy?). Andererseits ist es provokant. Und wenn das gewollt ist, ist es ein Stück weit raffiniert. So oder so gilt: Sex sells. Darauf hoffen die Künstler, deren Arbeiten verkäuflich sind. Kunst und Sex - ein anderer Blick (expect the unexpected)? Darauf hoffen wiederum die, die Kunst für etwas halten, was außerhalb der Gesellschaft und ihrer Normen passiert. Ein verbreiteter Irrtum.


Teilhabe an vitalen Schwingungen, an belebenden Energien? Warum eigentlich nicht? Das Faszinosum Caravaggio funktioniert nach 400 Jahren doch deshalb, weil sich noch immer kein Betrachter der Erotik der gemalten Körper entziehen kann, deutlich vernehmbarer Nachhall des Skandals. Selbst in Klimts zartem Kuss liegt seine Erfahrung von rund 4000 erotischen Grafiken, die erst posthum öffentlich wurden. Und über Schiele und den Jugendstil sind wir ganz schnell bei den Ukiyo-e-shungas Japans, die Hjalmar Leander Weiss, Chefpropagandist des Kulturring C, Erfinder der Ausstellung und ihres Mottos, eingearbeitet hat in seine Sedimentbilder. Diese Holzschnitte und Tuschezeichnungen der „fließenden Welt“ mit ihren eindeutigen Darstellungen sexueller Praktiken, speziell Shungas genannt, Frühlingsbilder, waren obligatorische Brautgeschenke. Die übergroßen Darstellungen der Sexualorgane sind quasi lehrbuchhaft zu verstehen. Was nicht heißt, dass man in Japan im 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert seine Sexualität hätte frei ausleben dürfen. Aber Sexualität galt als wichtiges Attribut eines gebildeten Menschen, die Darstellung und kultische Verehrung menschlicher Fortpflanzungsorgane war Teil der shintoistischen Praxis, und vor allem wer herrschen wollte, sollte besser geheime Liebespraktiken kennen.

Wahre Liebe müsste keineswegs eine entpolitisierte Kraft sein. Einer, der das gesehen hat, war Blalla W. Hallmann. Sein pornografischer Furor als Anklage gegen aus seiner Sicht unzüchtige Machtverhältnisse bleibt über seinen Tod hinaus in seinen Bildern spürbar. Die Shungas von heute sind die Mangas. Darauf reflektiert ein Künstler wie Hubertus Hess, der vor Ort in Japan Werbematerial mit Pornorelikten aus Mangas gemischt hat, anspielungsreicher Japanverschnitt. Altmeister Udo Kaller ist froh, endlich einen winzigen Ausschnitt aus seinem erotisch-pornografischen Oeuvre präsentieren zu können. Nicht nur Barbara Engelhard mit ihrem Sexshop, auch Anna Bien, Cornelia Effner, Katrin Meier, Uschi Neuwert, Christine Nikol, Gerlinde Pistner oder Anja Schoeller stellen (respektive hängen) ihre Venusfallen auf. Weitere Teilnehmer der Ausstellung in bewährter St.Petersburger Hängung sind:
Peter Angermann, Franz U. Janetzko, Christoph Haupt, Rubin Hirschbeck, Peter Kocher, Roger Libesch, Anders Möhl, Dan Reeder, Van Rijn, Wolf Sakowski, Harri Schemm, Ralf Siegemund, Fredder Wanoth und Dieter Wittmann.

Liebe in Zeiten von Aids ist auch Allegorie für Tod. Aus Frieden wird Krieg, aus Lust wird Leid. Sexualkunde in Zeiten von Political Correctness wird zur schwul-lesbischen Anleitung: „...und dann küsste der Prinz den Prinzen. - - - Und das ist gut so!“ Liebe in Zeiten der Feminisierung der Gesellschaft ist Anleitung zur friedlich-frauenfreundlichen Erektion. So wird Neusprech zum allgegenwärtigen Rauschen. Ist das Sinnenverwirrung? Weil doch erotisch nur sein kann, was uneindeutig ist? Leben wir folglich in zweideutigen, erotischen Zeiten? Die allgegenwärtige Pornografie widerspricht dem, etwa 20 % der in Hollywood erwirtschafteten Filmgelder stammen aus der Pornoproduktion. Trotzdem dreht sich auch beim Sex alles um die Liebe: “All you need is love.” Dass der Song spielerischer Umgang mit politischen Parolen war, eine Verkitschung, machte die Aussage damals vor 40 Jahren auch nicht schlechter. Natürlich machten alle in der Diskussion einen Unterschied zwischen Liebe und Sex. Aber wer ihnen dabei zugehört hätte, den hätte das Geschwätz gelangweilt. Aufregend war es doch dort, wo es ununterscheidbar wurde. Wo? Wie? Na, der Song beantwortete doch alle Fragen: „It`s easy.“




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