Fürther Nachrichten, 12.5.2007

Luftschlösser und Horrorvisionen


Was Fürth erspart geblieben ist - Eine Ausstellung über nicht realisierte Architektenentwürfe

Der Lebensraum Stadt nimmt es in seiner Abenteuerlichkeit mit mancher Wildnis locker auf. Aus der kritischen Distanz heraus betrachtet, kann Stadtentwicklung eine ungemein spannende Angelegenheit sein. Illustre Beispiele liefert eine außergewöhnliche Ausstellung, die das Fürther Stadtplanungsamt zur Tausendjahrfeier der Stadt beigesteuert hat.

Science-Fiction mit Lokalkolorit gefällig? Wie wär`s etwa mit sechs Multiplexkinos, die insgesamt über 60 Säle und 15000 Sitzplätze verfügen? Genehmigt in den Jahren 1997/98. Oder mit einem Freizeitpark, wahlweise einem Fußballstadion im Magerrasenbiotop Wäsig? Mit Schnellstraßen in den Flusstälern, wofür allerdings die Rednitz verlegt werden müsste und an der Stadthalle ein großer Stausee entstehen würde?

Im Angebot des kleinen Horrorladens in der kunst galerie ferner: eine Hochhaus-Trabantenstadt auf dem Reichsbodenfeld, eine "Neue Mitte" genannter Gewerbepark der Nachbarstädte im Knoblauchsland, eine Bürostadt für 6000 Quelle-Mitarbeiter auf der Hardhöhe-West, ein Business-Park samt Thermalbad auf dem Kavierlein, eine aufgeständerte Markthalle an der Adenaueranlage und ein komplettes Neubauquartier zwischen Fürther Freiheit und Hauptbahnhof.

Über alles hat die Zeit gnädig den Mantel des Vergessens gebreitet. Vieles von dem, was einst als Geniestreich gepriesen worden war, ist längst überholt. Und wäre nicht der Umzug des Baureferats ins neue Technische Rathaus gewesen, hätte die nie verwirklichten Pläne wohl niemand mehr aus ihrer Versenkung geholt. Beim Aufräumen stießen die Stadtplanungs-Urgesteine Steffi Wiegel und Margarita Kaghengst jedoch auf so viel Interessantes, dass sich die Idee einer Ausstellung geradezu aufgedrängt hat.

Dennoch: selbstkritische Reflexionen sind für eine Behöre durchaus nichts Selbstverständliches. Mit Bertold Brecht betrachtet Stadtplanungsamtschef Christian Schöner die nicht realisierten Entwürfe als Beispiele für die Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens. Und Stadtheimatpfleger Alexander Mayer karikiert die ehrgeizigen Planungen mit Winston Churchills systematische Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum.

Die Ideologisierung von Idealvorstellungen der Stadtentwicklung ist für Schöner ein Irrweg. Das gilt für die Vision einer autogerechten Stadt, wie sie auf der Hardhöhe verwirklicht worden ist, ebenso wie für die Idee der Trennung der einzelnen Lebensbereiche, die in großen Schlafstätten ebenso Gestalt annahm, wie in Platz sparenden Hochhaussiedlungen. Heute ist man klüger. Erst die Mischung der Funktionen einer Stadt wie Wohnen, Arbeiten und Freizeit macht für Schöner Urbanität aus.

Längst nicht alle Kapriolen haben in der kleinen auf die Zeit nach 1945 begrenzten Ausstellung Platz. Deshalb fehlen etwa die größenwahnsinnige Thermalbadplanung der Nationalsozialisten am Espan, die Vision einer mobilen Markthalle samt Tiefgarage auf der Freiheit, die Idee einer Tiefgarage am Bahnhofplatz und - nicht zu vergessen - futuristische Hotelanbauten am historischen Rathaus und auf dem Paisleyplatz vor der Stadthalle.

Freilich stößt die kritische Betrachtung der Stadtplanung an Grenzen. So erscheint die Zerstörung des historischen Gänsbergviertels als Aufräumaktion unter "Behelfswohnungen" aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Dass der Bund mit neuen Fördermitteln für Flächensanierung Anteil an der Radikalkur des gewachsenen Stadtbildes hatte, klingt zwar nur zwischen den Zeilen an. Deutlich wird aber das Ringen um die 1978 bis 83 realisierte neue Bebauung. Dabei verzichtete man schließlich auf Infrastruktur-Einrichtungen wie Kaufhaus, Kirche, Kindergarten und Bücherei. Auch die von der früheren Stadtheimatpflegerin beklagte Abriegelung der Altstadt durch das Reihenhausprojekt "Stadtmauer" ist Gegenstand der Ausstellung. Lohnend wäre eine Ergänzung durch weitere Projekte gewesen, die das Stadtbild in ähnlicher Weise beeinträchtigt haben: etwa die Veränderung des Königsplatzes durch Abriss barocker Judenhäuser für das moderne Sozialrathaus. So bleibt es bei Schlaglichtern aus dem Reich der Utopie mit gebremstem Konfliktpotenzial.

Volker Dittmar
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