Nürnberger Zeitung, 13./14.1.2007

Reize einer spröden Stadt

Schäfers Fürther Fotografien


Zum 1000-jährigen Geburtstag der Kleeblattstadt zieht es selbst manchen Nürnberger über die Stadtgrenze – und der Fürther, tolerant wie er ist, lässt sie mautfrei gewähren. Aus gutem Grund: Der Jubilar zeigt mit ausgewählten Veranstaltungen, was der erste Eindruck oft nicht hergibt: die Reize einer spröden Schönheit.

Zu dieser Entdeckungsreise sei Fürthern wie Nicht-Fürthern die Foto-Ausstellung von Horst Schäfer (Jahrgang 1932) in der kunst galerie am Königsplatz ans Herz gelegt, denn sie lüftet den Grauschleier der Hinterlassenschaft der „1000 Schlöte“ und weitet den Blick für eine bunte, facettenreiche Stadt.

In die Röhre geguckt

Paradoxerweise gelingt das mit Schwarzweiß-Fotografie, für die Schäfer als einer ihrer herausragendsten Vertreter in Deutschland steht. In ihren so exakten wie lyrischen Graustufen erweist sie sich als ideal, um den Charme alten Fachwerks, schindelschuppiger Häuser oder prächtiger Bürgerhäuser mit ihrem historistischem Zierwerk – und sei es eine Bewohnerin in Kittelschürze – freizulegen.
Daneben beeindrucken das weihnachtliche Rathaus, das dramatisch eingefangene Stadttheater und die frisch gekachelten U-Bahn-Zugänge durch neue, überraschende Perspektiven. Neben der Architektur und Blicken in diverse Röhren – sogar in Kanalröhren hat Schäfer hineinfotografiert – widmet sich der Künstler nicht zuletzt den Menschen.

Gleich einem Reisenden, der völlig offen ist für das, was da kommt, freut er sich an dem Fürther „Multikulti“, platziert ein „Altfürther Herrenduo“ neben „Neufürhter“ Bürger mit muslimischer Kopfbedeckung. Oder: Zwei türkische Buben setzen ihr Training auf der Straße fort: Der eine hält den Kleiderbügel hoch, der andere kickt sich ins Hochformat.
Überhaupt die Kinder! Im Stadtpark ist der Flaneur zur Stelle, wenn kleine Knirpse die Wasserfontäne nachspielen. Und Zeitschriften-Austräger rufen Pariser Straßenszenen von Cartier Bresson in Erinnerung. So fröhlich und lebendig also gehen Fürther auf den Unvereingenommenen, „Hereingeschneiten“ zu. Doch mit welcher Weitsicht fragt man sich, hat Schäfer den Stoiber-Schnappschuss gemacht? Nicht leibhaftig kam der Landesvater damals zu Wahlkampfzeiten nach Fürth, sondern als standhafter Pappkamerad, dem allerdings – das Foto lässt keinen Zweifel – eine selbstbewusste Schöne lachen den Mund zuhält. Nein, die Landrätin war`s nicht, sie ist auf keinem Bild zu sehen. Dafür Stadtoberhaupt Jung, so jung und voller Elan an einer Bushaltestelle, die wiederum den Eindruck vermittelt: Kinderarmut in Deutschland, die gibt es überall, nur nicht in Fürth.

Schäfer, der von 1961 bis 1980 in New York und anschließend in Colorado als Fotoreporter, Werbe- und Architekturfotograf tätig war und seit 1981 in Nürnberg lebt, bezeichnet seine Bilder als „Verdichtung“, vergleichbar mit einem gelungenen Gedicht.
„Ich weiß nie, was ich finde“, sagt er, und doch spüren wir, dass er uns Charakteristisches zeigt. Und das, obwohl das „Was“ ihn gar nicht so sehr antreibt. Vielmehr sind es die kleinen Augenblicke oder Licht- und Schattenstimmungen. Das fluchtende Fassadenrelief schmucker Bürgerhäuser etwa ist ein Glanzstück: in der morgendlichen Sonne blinken die vor- und zurückspringenden Simse, schwingen Giebelchen und Segmentbögen den Taktstock.

Viele Szenen haben den Schalk im Nacken: etwa wenn drei Muttis ihren Nachwuchs durch eine Allee schieben, und dabei als aufrechte Rückenfiguren den Stämmen in nichts nachstehen.

Schäfer warf auch noch einen Blick in Traditionsgeschäfte, die Kurz- oder Eisenwaren feilbieten wie vor hundert Jahren. Und er besuchte die Künstler der Kofferfabrik – einen Ort also, der stellvertretend von den gravierenden wirtschaftlichen Umbrüchen in Fürth erzählt. Einer Stadt also, die sich gerade wieder zu neuen Höhen aufschwingt.

Eva Deppisch




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