Plärrer. Monatsmagazin Nürnberg, November 2007

Die poetische Wort-Bildwelt der Ruth Liberman

Ausstellung in der „kunst galerie fürth“ und im „Jüdischen Museum Franken“


„Word shot“ nennt Ruth Liberman eine Serie von Tintenstrahldrucken, auf denen deutschsprachige Wortfragmente mit Einschusslöchern zu sehen sind. Nicht unbedingt „poetisch“, diese Exekution von „Wörtern, die ich nicht mag“ (Liberman). Oder die Wandobjekt-Serie „Accounts“: Da hängen, etwa im DIN A4-Format, beschriftete schwarze Latexfolien wie Handtücher zum Trocknen. Man wird sogar aufgefordert, sie in die Hand zu nehmen, zu „blättern“ und zu lesen: Es sind beispielsweise Texte bzw. Sätze aus Aufzeichnungen von deutschen Wehrmachtssoldaten über Exekutionen von Juden. Das ist von äußerster Lakonie in „Form“ gebracht und, weil unerwartet, umso wirkungsvoller. Ruth Libermans Trick: Sie offeriert keine „Betroffenheit“, sondern - auf den ersten und zweiten Blick - Ästhetik. Und zwar genau jene Varianten, wie sie seit Jahrzehnten in vollkommener Inhaltsleere die Kunstinstitutionen der Westwelt möblieren. Alle Liberman-Objekte sind „schön“, hängen in idealem Licht in diesen städtischen Galerieräumen, strahlen eine immense Harmlosigkeit aus. Dann tritt man näher, ganz nahe heran an die Objekte, und erkennt Worte, Sätze bzw. die Fragmente davon, liest Bildinformationen wie „January 20, 1942“ und ahnt, dass das ein bedrohliches Datum sein muss. Wie auf einem Palimpsest sind da Schriftzeichen auf schmalen Stoffbahnen angebracht, kaum mehr zu entziffern. Oder da sind die ungemein luftigen Drucke „Blot - Waterlily Series“, die ihre Herkunft nicht zu erkennen geben. Es sind die kopierten Löschpapierabdrucke der handschriftlichen Tinte-Kopie von Walter Benjamins Berliner Erinnerungen. Sprache, Worte, Begriffe und deren Abgründe - das ist das zentrale Thema dieser Arbeiten der New Yorker Künstlerin aus Frankfurt. Sie „bringt“ nichts direkt zur Sprache, aber sie zeigt und macht fühlbar, dass Worte keine „Unschuld“ haben, ebenso wenig wie die Kunst. Still, stark!

Jochen Schmoldt




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