Nürnberger Zeitung, 23. November 2007

Erotisches Stadtjubiläum


"Sex in Fürth" in der Kunstgalerie

Vom Fürther Rathaus läuten neuerdings Glocken, in der Kunstgalerie Fürth nebenan läuten ebenfalls die Glocken. Zum Abschluss des Millenniums lässt es der Kulturring C noch einmal krachen und spendiert der Stadt alles zum Thema "Sex in Fürth".

Der erste Eindruck in der Kunstgalerie: Überwältigend! Als tragende Säule fungiert Blalla Hallmanns Pseudo-Altargemälde "Der Kleinen großes Vaterunser"; neopsychedelischer Sakralsex, wie ihn Ernst Fuchs und Mati Klarwein praktiziert hatten, und dem Hallmann an derben wie feinsinnigen Ideen noch eins draufsetzt.

Schaulust ohne Grenzen

Überhaupt, die 26 Künstler platzieren mit schöner Penetranz die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Feingeistern dürfte angesichts prangender Priapi und wallender Vulven die Scham- oder Zornesröte ins Gesicht steigen. Wobei die Grenze zur Pornographie in der Kunst längst überschritten ist. Die Frage ist, wie Künstler angesichts gebrochener Tabuzonen, expliziter Fotografie und medialer Übersättigung dem Sex noch etwas abgewinnen können.

Nicht wenige Künstler thematisieren gerade den Überdruss an der Pornographie, die der Phantasie keinen Raum mehr lässt. So errichtet Barbara Engelhard ein Kabinett voll erotischem Krimskrams und Fundmaterial. Das Angebot reicht von Kontaktanzeigen für Fußfetischisten über Schamhaarschaustücke bis zu stilvollen Illustrationen zu japanischen Erzählungen. Zeichnungen von Mann und Weib, deren Gesichter Kondomhüllen verdecken, vervollständigen den Überdruss des Eros.

Schaulust und Blickverbot thematisiert Anna Bien mit der Installation "Power of Flower": Lilien blühen auf einem Kasten mit in konzentrischen Kreisen angeordneten Gucklöchern. Drinnen offenbart sich dem Betrachter die Botanik hemmungsloser Morcheln und Phalli impudici vor puffroten Stoffblumen. Freilich nur mit beschränkter Sicht. Allein das zentrale Guckloch gewährt eine Gesamtschau in Froschaugen-Optik, die allerdings auch nur eine deformierte Ansicht gestattet. Ähnlich arbeitet Udo Kaller, wenn er den Blick des Betrachters auf Fotografien sexueller Praktiken mittels schwarzer Schablonen steuert.

Zum Fürchten sind Fredder Wanoths Fusionen aus Sex, Handwerk und Naturalienherstellung. Fleischeslust zwischen Fleischwölfen, rektale Wurstfabrikation und Senfejakulationen nötigen dem Betrachter viel Sinn für Humor ab. Subtiler, aber nicht weniger bizarr thematisiert Uschi Neuwert das Thema der geschändeten Unschuld anhand eines täuschend "kindlichen" Gemäldes, worin Herr und Frau Hase beobachten, wie ein Teddybär ihr Hasenkind von hinten bespringt (Anklänge ans Dürerhasi sind unvermeidlich).

Und wo wir beim Thema sind: Wer sich schon immer gewundert hat, wie angesichts der Onkel-Tanten-Neffen-Nichten-Verwandtschaft die Fortpflanzung in Entenhausen vonstatten geht, dem liefert Christine Nikol eine orgiastisch-fauvistische Antwort.

Was wird bleiben? Künftigen Paläontologen legt Anders Möhl eindeutig maskuline Fundstücke aus Speckstein vor: "Idol, Fundort Fürth" bzw. "Nürnberg". Das sieht der Fürther aber gar nicht gern: Der Nürnberger hat den Größeren.

Reinhard Kalb

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