Nürnberger & Fürther Nachrichten, 17.01.2006

Kontraststarke Verwandtschaft


Diet Sayler und sein Meisterschüler Tatsushi Kawanabe in der kunst galerie fürth

Den "Dialog auf gleicher Augenhöhe" mit seinen Studenten hat Diet Sayler schon zu Akademiezeiten gepflegt. Jetzt findet das demokratische Zwiegespräch seine Fortsetzung auf der künstlerischen Ebene. Gemeinsam mit dem Japaner Tatsushi Kawanabe bestreitet der 2005 emeritierte Nürnberger Kunstprofessor die fünfte Folge der "Lehrer/Meisterschüler"-Reihe in der Fürther Kunstgalerie.

Der prominent angeführte Paarlauf überrascht auf den ersten Blick durch seinen Gleichklang - dies umso mehr, als Sayler in seiner Klasse nie die eigene Handschrift dominieren ließ. Mit Kawanabe, der sein Studium in Nürnberg 2004 abschloss, meint man nun, einem Meisterschüler zu begegnen, der sich ganz der Tradition seines Lehrers verpflichtet fühlt: des international renommierten Vertreters der Konkreten Kunst, der sich vom strengen Regelwerk der Konkreten längst emanzipiert hat und sich heute zur humanistischen Farbkultur bekennt.

Doch die enge künstlerische Verwandtschaft hält nur dem vordergründigen Blick stand. In Kawanabes Arbeiten verbinden sich die japanischen Wurzeln mit einem grundsätzlich anderen Blick auf die europäische Kultur. In Deutschland fiel ihm auf, dass im Zentrum der Städte meist eine Kirche steht. Im Buddhismus dagegen konzentriert sich der Meditierende auf das Nichts. Kawanabe verschmilzt die konträren Erfahrungen im Begriff der "Leeren Mitte", seine Arbeiten thematisieren das, was man nicht sieht.

Augenfällig wird das besonders in einem Bild, aus dem der Grundriss der Nürnberger Lorenzkirche herausgeschnitten ist, und bei den inwändig bemalten Klappaltären, die - halb geöffnet - den Blick auf einen leeren Mittelteil freigeben, der die Farbe der Seitenwände reflektiert. Die "Leere Mitte" wird so zu einem "aktiven Zwischenraum", zur Spielfläche für Reflektionen im doppelten Sinn. Das gilt auch für die weißen Bildobjekte, die als leere Fläche erscheinen und ihr farbiges Innenleben hinter vorgesetzten Leisten verbergen. Oder die, Raum und Fläche verbindend, von schwarzen Linien durchschnitten werden.

Den farbmächtigen Kontrapunkt zu diesen raffiniert ambivalenten Arbeiten setzt Sayler mit zwei großartigen Bildern. Dass die sich farblich "beißen" - das eine leuchtend rot, das andere in einem gedämpften Lila - ist Absicht: Der "Häretiker" der Konkreten Kunst hat sich den Willen zum Widerspruch bewahrt. Subjektivität, Emotionalität, das sinnliche Farberlebnis sind seit langem die Kriterien, auf die es Sayler ankommt. Unzählige, übereinander aufgetragene Farbschichten und seine selbsterfundenen "Basisformen", die er ins Zentrum der Bilder platziert, weisen Sayler auch in seinen neuesten Arbeiten als großen Individualisten aus, der dem Abenteuer Farbe immer wieder neue Facetten abgewinnt.

Regina Urban

Zurueck Zurück Versenden versendenDrucken drucken
2021 © kunst galerie fürth - Impressum