Dreck am Stecken der Kunst


Sehenswert: Rebeyrolle in Fürth

Er hatte Dreck am Stecken. Oder am Pinsel. Oder an den Händen. Erdbrocken, Stroh, ja sogar Knochen mengte Paul Rebeyrolle beim Malen seinen Farben bei. Deshalb von "schmutzigen Bildern" zu sprechen, ginge aber dann doch zu weit - auch bei dem mitunter pornografischen Inhalt. Nein, sie sind nicht "schmutzig" - Rebeyrolles Szenerien bestechen durch die Wucht einer fast unbekümmerten Natürlichkeit.

Rebeyrolle? In Frankreich war er eine große Nummer. Bei uns ist er weitgehend unbekannt. Das könnte sich jetzt ändern. 14 Materialschlachten des im vergangenen Jahr gestorbenen Großmalers haben in der Kunst-Galerie Fürth Deutschland-Premiere. Riesenwerke des bärtigen Dickschädels, der, bei allem Erfolg, in seiner Heimat nie unumstritten war. Kein Wunder, ließ der erklärte Genussmensch und Anti-Asket in seinem Leben wenig aus. Der Kunst blieb er treu.

Aber bitte mit der Kippe!

Was für ein Typ! Dass Rebeyrolle (1926-2005) trotz seiner harten Nikotinsucht 78 Jahre alt wurde, ist zwar nur ein Detail einer bunten Biografie. Doch liefert es dem Fürther Galerieleiter Hans-Peter Miksch eine hübsche Steilvorlage: Auf dem Ausstellungsplakat stellt er den Künstler als widerborstig Paffenden vor - den Zeichen der Zeit der Rauchverbote zum Trotz. Nur, damit wir Rebeyrolle schon mal näher kennen lernen - bevor es zur "Malerei der großen Gefühle" geht. Jean-Paul Sartre hat Rebeyrolles Bilder einmal so bezeichnet. Und wie es aussieht, hatte er Recht.

Es sind gemalte Gefühle, die Rebeyrolle buchstäblich körperlich zum Ausdruck brachte. Sogar beim Akt des Malens selbst, wenn er die Farbe aufstrich wie Butter, abkratzte, Wunden einfügte und Oberflächen beklebte. Eine Video-Dokumentation gibt in der Kunst-Galerie Aufschluss darüber.

Letztlich war es ein kleiner Skandal, der den jungen Künstler im Paris der 1950er Jahre bekannt machte. Den Sturkopf, der von Rubens und Rembrandt mehr hielt als vom Korsett des Zeitgeists mit "Tachismus" und "Informel", die gerade angesagt waren. Als "dieser Rebeyrolle" mit seiner vergleichsweise realistischen Malerei auch noch einen renommierten Kunstpreis erhielt, traten Jury-Mitglieder zurück. Und der aufstrebende Künstler war ein gemachter Mann.

Er sollte es bleiben. Rebeyrolle malte zeitlose Themen. Das Schicksal der Kreatur, Mensch wie Tier, lag ihm am Herzen. Wie Rebeyrolle - zuweilen unangenehm - die Schutzlosigkeit des Daseins ins Bild rückt, berührt auch in Fürth. "Jeder an seinem Platz" heißt etwa ein Gemälde, aus dem Schafsköpfe stieren, tot, aber in Kartons sortiert. In die Oberfläche des Gemäldes arbeitete Rebeyrolle ein schwer zu definierendes, sehr organisch anmutendes Wabberzeugs ein. Als frühe Vision vom Gammelfleisch? Er malte es 1978.

Das große Gemälde "Der Reisende" entstand dann 1985. Wir sehen einen Menschen, der wartet. Einen Menschen? Einen Batzen Teer! Eine Kreatur, die schon ganz schwarz ist von den vielen Gitanes, und wie angeschossen im Sessel hängt, den Reisekoffer als Aschenbecher neben sich. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Ja, irgendwann wir der Mensch bröselig. Wie Rebeyrolles fragiles Gipsbild, das im Obergeschoss hängt. Ein Kaiser ist zu sehen, dessen Porträt bröckelt. Ein Kerl am Ende seiner Macht. Böse, böse. "Ich komme nicht in den Himmel" heißt übrigens Rebeyrolles Selbstporträt. Der Himmel. Häufig grundiert der Franzose schwarz. Oder nebulös tranig, etwa bei der "Landschaft" oder bei der "Forelle", die im Erdgeschoss hängt. Zuweilen arbeitete Rebeyrolle in Serien. Etwa zum Thema "Selbstmord". So lernen wir das gruselige Werk "Die beendete Flucht" kennen. Ein organisches Gebilde liegt auf dreckigem Meeresboden, giftiges Gelb, jungfräuliches Weiß und etwas, das aussieht wie eine Nabelschnur, "schwimmen" dem Betrachter vor Augen. Und dann noch die Tierbilder sowie die Akte. Das Gemälde "Trunkenheit" gehört zu letzterem. Mann und Frau im Rausch durch Liebessäfte.

Rebeyrolle bewies als Genussmensch ein Gespür für die lyrische Qualität in den tiefsten Färbungen von Lust und Leid. Vergleichbar mit Francis Bacon, an den man sich in der Ausstellung zuweilen erinnert fühlt. Und das in Fürth!

Christian Mückl
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