Fürther Nachrichten, 10.6.2005

Fünf Millionen Euro schweres Schloss mit Stall


Die kunst galerie fürth beteiligt sich an dem Ausstellungsprojekt "BetonKunst" des Galeriehauses Nürnberg

Die "BetonKunst" hält derzeit sieben Nürnberger Galerien und Läden in Atem, Symposien gibt es, Vorträge und Diskussionsforen, ein Kuratorium sowieso. Das wählte 17 Künstler aus, 17, die nun zeigen sollen, wie das Material Beton gegenwärtig als Bedeutungsträger für künstlerische Inhalte eingesetzt wird.

Wer wahrt da den Durchblick? Drum steht man schier befreit und ausatmend in der kunst galerie, wo die Arbeiten von "nur" vier der 17 Künstler Licht und Luft und Raum bekommen, nicht weniger, aber zum Glück auch nicht mehr. (...) So kommt es, dass Galerieleiter Miksch nun die Arbeiten von Heike und Helmuth Hahn, beherbergt, von Cony Theis und Patricija Gilyte. Miksch, der aus dem Künstlerpool frei auswählte, hat dabei bewusst (und in aller Freundschaft) Fürther Lokalmatadoren wie Ortwin Michl und Franz Janetzko die Tür Richtung Nürnberg gewiesen, durchaus nach dem Motto: Sollen die Nürnberger ruhig auch einmal mitkriegen, wer in der Nachbarstadt in Kunst macht.

Traumhafte Domizile

Das Fürther Kunstpublikum wiederum kommt nun in den Genuss der ironischen, doppelbödigen Arbeiten des in Winkelhaid lebenden Paares Heike und Helmuth Hahn. "Archidom", ein Kunstwort aus den Begriffen Archiv und Domizil, fungiert hier als Überbegriff für die betonarchitektonischen Arbeiten des Duos. "Archidom Wunschhaus" vereint 24 Wandkästen aus Plexiglas, Folie und Holz. Beton taucht sozusagen imaginär auf der zweiten Bedeutungsebene auf.

Per Fragebögen wollten die Hahns wissen, welche Art Haus die Befragten bauen würden, stünden ihnen fünf Millionen Euro zur Verfügung. Das Ergebnis sind geronnene Träume mit Grundrissen und Frontansichten der Domizile sowie mit Schlagworten aus dem Wörterbuch der Neureichenfantasien: "Biotop mit Streuobstwiese" etwa oder "Schloss mit Pferdestall". Nicht minder "traumhafte" Stadtlandschaften entwerfen die Hahns mit ihren Betonabgüssen sämtlicher auf dem Markt erhältlicher 3-D-Puzzles. Aus Burgen und Bürgerhäusern erwächst Utopia im Kleinformat - ein reizvoller Kontrast zu einer futuristisch anmutenden Installation, die einige der Abgusshäuser auf eine orangefarbene Umlaufbahn zu schicken scheint.

Cony Theis, Jahrgang 1958, lebt und arbeitet in Köln. Typisch für ihre Künstlerinnengeneration ist der kritische, mitunter zynische Umgang mit dem Inventar des häuslichen, von Hausfrauenhand geschaffenen Behaglichkeitskosmos. "Rosette II" zeigt blaue Betontortellets, die mit Hasenfell gefüllt sind - ein Spiel mit Genuss und Ekel ähnlich Theis` "Five o`clock", wo der Tortenbelag aus einem Mix aus Menschenhaaren und Kunstgießharz besteht. Überaus sinnlich, doch auch überaus harmlos ist der Reigen von 24 verschiedenfarbigen Wandkissen - aus Beton.

Aus Litauen kommt Patricija Gilyte. (...) In Fürth empfiehlt sie sich mit überdimensionalen, in Beton gegossenen Taubenfedern, deren sinnliche Präsenz ein verschwurbelter soziologischer Bildschirmlauftext stark beeinträchtigt. Das allzu Leichte, das allzu Schwere - in der Fürther "BetonKunst"- Filiale wird` s Ereignis, wenngleich ein kleines.

Matthias Boll

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