Fürther Nachrichten, 8. 8. 2005

Die Kehrseite derselben Medaille

"Peace" attackiert "Salam": Sadanobu Otsus ins Herz treffende Kunst-Statements


Terror gedeiht, wo Armut herrscht und Hoffnungslosigkeit. Er gedeiht, wo Schwarz-Weiß-Strickmuster die Welt erklären. Weil sie dieser Ansicht ist, zog die indische Schriftstellerin Arundhati Roy ("Der Gott der kleinen Dinge") den Vergleich von US-Präsident Bush mit Osama bin Laden, bezeichnete beide als Kehrseite derselben Medaille, als dunkle Brüder, die einander bedingen. Würde sie malen statt zu schreiben, könnten ihre Arbeiten ähnlich aussehen wie die des Japaners Sadanobu Otsu. Beide sind Meister griffiger Statements und bauen doch unendlich viele Zwischentöne ein, die unbedingt gehört werden müssen.

Spirituelle Kreise

Auf den ersten Blick ist Otsus Ausstellung in der kunst galerie mit Kreuzen durchsetzt. Doch der Künstler, 1937 in Nagoya geboren, bezeichnet sich als Atheisten. Bei näherem Hinsehen enthüllt das Kreuz seinen Charakter als universelles Symbol aller Religionen, als Weltmetapher für eine spirituelle Krise. Allenthalben ist es zerbrochen.

Die Worte der Bibel werden von Lärm übertönt, von Schreien, die aus Otsus Arbeiten hallen. Hört auf, lautet die Botschaft.

Verlorene Harmonie

Aus Acryl, Sperrholz, Asche, Sand und Japan-Papier, handgeschöpft aus dem Bast des Maulbeerbaumes, ist eine Kunst entstanden, die in ihrer Bitterkeit ebenso notwendig ist. Die aktuelle Welt ist angesichts der Toten von Bagdad und London nicht mehr mit den künstlerischen Ironiegesten der frühen 90er Jahre zu bewältigen. Deshalb greift Otsu auf schlichte Grundformen zurück: riesengroß an der Wand das zerbrochene Kreuz, dann, im arabischen Grün gehalten und mit den Schriftzeichen "Salam" für den Frieden versehen, ein ebenso zerstörter Pfahl. In der Mitte ein Kreis. Doch nichts füllt die Leere darin, nichts stellt die Harmonie wieder her.

Ein Stück weiter das kleinere Werk "Zwei dunkle Hände". Sie reißen die Welt in Stücke. Dabei sind sie völlig identisch in ihrer Form, könnten fast zum selben unsichtbaren Körper gehören - Roys These, kraftvoll in Farbe und Form umgesetzt. Dann wieder: die Worte "Peace" und "Salam" attackieren sich gegenseitig, zerschlagen und vertilgen sich. Es ist eine gestisch-expressive Ausdrucksweise, die ohne Sprache ins Herz trifft.

Der Duktus ist der Kalligrafie entlehnt, Otsus zweitem Standbein. Die Arbeiten "Wiedergeburt" und "Wiedergeburt Blatt" mit ihren an Berge erinnernden Formen, in denen die Ebenen sich durchdringen und nicht bekriegen, verweisen auf Höheres: Es gibt Dinge, die über das Einzelschicksal hinausgehen.

"Würden alle Religionen zu ihren Ursprüngen zurückkehren, die sich gar nicht so unähnlich sind, könnte die Spaltung der Welt überwunden werden", so Otsu im Gespräch. "Kreuz, Spuren" wiederum zeigt, wie das Christentum entstand und versucht, es von außen zu verstehen. Langsam schließt sich der Kreis.

Claudia Schuller




Copyright: © kunst galerie fürth 2007
https://www.fuerth.de/kunstgaleriefuerth/desktopdefault.aspx/tabid-572/