Nürnberger Nachrichten, 12.07.2004

Vom Maler zum Direktor des Circus Dada


Unbequemer Einzelgänger: Werke von Raoul Hausmann in der Fürther Kunst-Galerie

"Nur" Künstler zu sein, das war Raoul Hausmann zu wenig. Der 1886 in Wien geborene, 1971 in Limoges gestorbene Maler, Plastiker, Schriftsteller und Fotograf verteilte in jungen Jahren Visitenkarten mit dem Aufdruck: "Präsident der Sonne, des Mondes und der kleinen Erde (Innenfläche), Dadasoph, Direktor des Circus Dada."

Dass dies nicht nur ein Szene-Ulk war, zeigt nun eine Ausstellung in der kunst galerie fürth. Zu sehen sind Dokumente eines ungemein vielseitigen Schaffens, Lebensspuren eines störrischen, unbequemen Einzelgängers, der mit Scherz, Ironie und Satire der tieferen Bedeutung auf der Spur war. Die Exponate sind Leihgaben der Fondation Hausmann im französischen Rochechouart; unterstützt wird die Schau vom Bezirk Mittelfranken, der das 15-jährigen Bestehen seiner Partnerschaft mit dem Département Creuse im Limousin feiert.

Raoul Hausmann, der im Alter demonstrativ "unprofessionell" gearbeitet hat, war ursprünglich ein tüchtiger, aber sehr konventioneller akademischer Maler. Etwas davon vermittelt in der Ausstellung das früheste erhaltene Ölbild, das seinen Schöpfer bereits als wackeren Mitstreiter der Expressionisten ausweist. Wenige Jahre später waren ihm deren exaltierte, pathetische Gesten ein Gräuel geworden.

1918 entstand die Berliner Dada-Gruppe, Hausmann übernahm von Anfang an die Rolle des Chef-Organisators und obersten Theoretikers. Über den ersten der von ihm initiierten Berliner Dada-Abende hat er rückblickend geschrieben: "Die Wirkung auf das von epileptischer Wut erfasste Publikum war ungeheuer. Es war die Bankrott-Erklärung aller heiligsten Werte der Bürger."

Besonders provozierend müssen damals Hausmanns abstrakt-konkrete Klang-Gedichte und seine Versuche mit visueller Posie gewirkt haben. Zwei seiner phonetischen Gedichte, das eine mit der merkwürdigen Anfangszeile "fmsbwtözäu", haben den Mit-Dadaisten Kurt Schwitters zu seiner berühmten "Ursonate" angeregt. Im Rahmen der Ausstellung ist dieses Werk am 16. Juli (22 Uhr) in einer tänzerischen Aufführung mit Robert Wechsler zu hören und zu sehen. Am selben Abend lesen Markus Nondorf und Katharina Tank aus Manifesten, Pamphleten und anderen Texten von Hausmann und seinen Künstler-Freunden.

"Dada war eine Explosion, und eine solche kann man nicht ausstellen, man kann allenfalls die Splitter zeigen", hat Max Ernst gemeint. Tatsächlich leidet auch die Präsentation ein wenig unter der Tatsache, dass der Besucher eine Ansammlung recht unterschiedlicher Objekte außerhalb ihres historischen und menschlichen Zusammenhangs vorfindet. Den leichtesten Zugang gewähren Hausmanns Fotoarbeiten, die nicht zuletzt sein lebenslanges sozialpolitisches Engagement widerspiegeln. Er, der alles Massenhafte ablehnte, das "Gemensche" oder die "Menschenhaufen", visualisiert mit seinen Fotos den Traum vom freien Individuum, für das Kunst und Leben keine Gegensätze mehr sind.

Bernd Zachow
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