Nürnberger Nachrichten, 20./21.11.2004

Zwei Sterntaler aus der Besenkammer


Der Raum wird zur Kunst: Die Ausstellung "roomservice" in der städtischen Galerie Fürth

Der Raum für die Kunst wird zum Gegenstand der Kunst. Auf ein mutiges Projekt hat sich Hans-Peter Miksch eingelassen, mutig umso mehr, als die von ihm geleitete Kunstgalerie Fürth als Raum eher kunstlos wirkt. Ein "White Cube" mit weißen Wänden, weiß verhängten Fensterbändern, ein paar Säulen, Parkettfußboden und - als einziges architektonisches Extra - eine Galerie auf halber Höhe im hinteren Teil.

Für die Fürther Künstler Sigrid Stabel, Andreas Oehlert und Christian Faul lag in diesem kühl-sachlichen Ambiente jedoch genau der Reiz des künstlerischen Zugriffs. Bereits zum vierten Mal als "roomservice"-Team im Einsatz, haben sie eine Ausstellung entwickelt, die auf den ersten Blick wie die Vorbereitung einer Ausstellung anmutet, auf den zweiten aber doch Spannkraft entfaltet.

Doppelter Boden

Am stärksten auf die elementaren Bestandteil des Ortes konzentrierte sich Andreas Oehlert. Der auf die Um- und Neuordnung von Alltagsdingen spezialisierte Künstler hat den Galerieboden lose mit Plakaten belegt, auf denen ein Ausschnitt eben dieses Bodens zu sehen ist - samt kreisrundem Loch, das wiederum den Boden zeigt. Für den Blick gibt es kein Entrinnen aus der vielfach repetierten, kreuz und quer gegen- und übereinander verschobenen Parkettstruktur. Dass der Besucher da Obacht geben muss, um nicht ins Rutschen zu geraten, ist durchaus gewollt. Mit Vorsicht soll er den doppelten Boden betreten.

Wie ein Raumzitat wirken auch die von Andreas Oehlert zum Block zusammengeschobenen Stellwände: Ein White Cube im White Cube, mit einem bis zur Decke reichenden Aufsatz aus eben jenen textilen Lamellen, die auch vor den Fenstern hängen. Galeriearchitektur mutiert zur Skulptur.

Bei Christian Faul vereinen sich Innen- und Außenbezüge. Faul, der vor allem mit seinen hochgradig artifiziellen Gemälden von Blumenblüten und Koikarpfen bekannt geworden ist, hat sämtliche Wände mit gestrichelten Buntstiftzeichnungen in grau, blau und gelb überzogen. Zart und flüchtig gleichen sie abstrahierten Wolkengebilden, die ein raumumspannendes minimalistisches Panoramabild abgeben und zugleich auf den Himmel hinter den verhängten Galeriefenstern verweisen.

Poetische Wirkung

Nicht unmittelbar auf den Ort bezogen, aber von ihm inspiriert sind zwei Videoarbeiten von Sigrid Stabel. Sie entdeckte jenseits des Galerieraums eine seit dem Umbau unzugängliche ehemalige Putzkammer. Ihre Kamera richtet den Blick aufs kleine Fensterquadrat und auf die pfenniggroßen Kacheln, die im sanften Strom gen Fenster fliegen. "Sterntaler I" heißt diese Arbeit, die angesichts des gänzlich banalen Motivs durch ihre poetische Wirkung überrascht.

Die Fortsetzung, "Sterntaler II", zeigt einen Holzstich von Gustave Doré, den Stabel am Computer subtil verfremdet hat. Die Eule, die bei Doré starr im Baum hockt, ist im Loop durch eine echte Eule ersetzt. Als Hüterin der Sterntaler hockt sie über dem Nest, plustert sich auf, dreht den Kopf - allerkleinste Bewegungen, die man fast mit leisem Schrecken registriert.

Mit ihren "Sterntaler"-Arbeiten erinnert Stabel in märchenhafter Umdeutung an die Geschichte des Ortes, an seine frühere Nutzung als Sparkassenfiliale. Damit fügt sie den Arbeiten von Oehlert und Faul eine zeitliche Dimension hinzu. Das Ausstellungsterrain selbst sondierend, ist "roomservice 4" ein künstlerisches Experiment. Für die drei Künstler ein Heimspiel, für Miksch ein Wagnis, das seinem ambitionierten Programm jedoch gut zu Gesicht steht.

Regina Urban

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