Abendzeitung Nürnberg, 12/13.04.2003

Geist aus der Öltonne


"Totentanz II": Kunst-Star Günther Uecker mit Herbert Koller in Fürth


Es ist angerichtet: Auf 38 weiß gedeckten Tischchen hat der Düsseldorfer Künstler Herbert Koller "Die Gläser der Ahnen" festlich aufgebaut, den Platz unter der Empore der kunst galerie fürth zur Neonlicht-Katakombe umfunktioniert. Die langstieligen Glaspokale spotten in ihrer riesenhaften Dimension jedem Trinkerwunsch und lassen die Erinnerung an die Vorfahren gleichzeitig ziemlich gläsern und abwesend erscheinen. Die ganz normalen Verdrängungs-mechanismen thematisiert dieser figurbetonte "Totentanz II", den der 45-jährige Sohn des Nürnberger Malers Oskar Koller mit seinem Promi-Kollegen (und ehemaligen Düsseldorfer Kunst-Professor) Günther Uecker als sehenswerten Denk-Dialog arrangiert hat.

Eigentlich wollte Galerie-Chef Hans-Peter Miksch den "Totentanz I", den er im Kunstmuseum Ratingen gesehen hatte, einfach übernehmen. Jetzt wurde eine komplett neue Schau draus, weil die beiden Künstler, keineswegs zur reinen Wiederholungstat bereit, noch genügend Nachschub-Material haben. Das Ergebnis ist bestes Lockmittel für die von Miksch geplante Reihe Lehrer/ Meisterschüler, die er unter anderem mit dem passenden Gespann Werner Knaupp / Gerhard Rießbeck fortsetzt.

Die politische Aktualität, die dem "Totentanz"-Thema anhängt, ist für Koller "gespürter Ausdruck der Zeit". Günther Uecker, der internationale Szene-Star mit documenta- und Biennale-Glanz, ergreift auch mit 73 Jahren noch Partei für das Geschundene. Lässt in einem Objekt, das den Besucher als erstes anspringt, einen bösen Geist aus der Öltonne steigen, die weiße Flagge, an der ein Stein zerrt, drüber hat schwarze Flecken und ist durchbohrt von den Fleischermessern der Machtgeilheit. Eine Arbeit, unter dem Eindruck des 11.September entstanden, die auch nach dem Irak-Krieg Haltung bewahrt.

Ein Stockwerk höher, die fällige Begegnung mit Nagel-Uecker. Brutal sind die Nägel in die Foto-Erinnerungen gerammt, an zerborstene Teller und Fernseher, an gepfählte Bettwäsche und Propagandasprüche, an eine Sowjet-Kaserne, die auf dem Land stand, wo Uecker als Bauernsohn aufwuchs. Zu Dornenkronen und Blick-Barrieren geformt, flankiert von schwarzen Farb-Flecken, klopft dieses "Memento Mori" die Spurensuche eines verwilderten, zerborstenen Heimatgefühls fest.

Kollers "Totentanz"-Leuchtkästen sind mit dem plakativen Slogan "Kunst unterstützt die Wirtschaft", wo die Buchstaben auf seltsamen Mumienfotos thronen, nicht weit davon entfernt. Erst Kunst ruft zur Besinnung auf, die Wirtschaft braucht die schöpferische Zerstörung. Die Tanzfläche für Todesfälle aller Art hat viele Ecken für Gedanken-Pirouetten.

Andreas Radlmaier
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