Augenzwinkernd setzt der Künstler Timm Ulrichs sein eigenes Ende genau so ins Bild, nimmt den Tod auf die Schippe und die Kunst nicht ernst – und umgekehrt. In der Städtischen Galerie Fürth stellt jetzt der renommierte Aktionskünstler, Neo-Dadaist und Akademieprofessor Timm Ulrichs (der auch schon beim Kunstverein Ingolstadt zu Gast war) nicht nur sich, sondern acht seiner Meisterschüler vor.
Womit die Reihe „Meister-Schüler“, die Galerie-Leiter Hans-Peter Miksch recht erfolgreich vor Jahresfrist begann, in die sechste Runde geht und auf einem neuen Höhepunkt angelangt ist. Als „Totalkünstler“, der sich in den 1960er Jahren als enfant terrible der deutschen Kunstszene auch schon mal als „Lebendes Kunstwerk“ ausstellte, machte Timm Ulrichs (Jahrgang 1940) Furore und unterlief mit ebenso hirnrissigen wie hintersinnigen Aktionen, wie etwa einem als Konzeptkunst angekündigten „Kunstdiebstahl“, den Kunstbetrieb. Diesen Witz und Irr-Witz sieht man auch den Arbeiten seiner acht einstigen „Meisterschüler“ an, die Ulrichs, der bis vor kurzem an der Kunstakademie Münster lehrte, in der Fürther Ausstellung präsentiert.
Sie wandeln nicht unbedingt auf seinen Spuren, aber von seinem Witz und Sarkasmus sind die alle beseelt. Wiebke Bartsch (Jahrgang 1968) etwa, die ihre Keramik-Figuren auf den Kopf stellt oder ihnen diesen buchstäblich vor die Füße legt. Claudia Buch (ebenfalls Jahrgang 1968) funktioniert die handelsüblichen Kondens-Milch-Döschen zu kunstvollen Medaillons um und bemalt sie – kondensierte Kunst im wahrsten Sinne des Wortes – in klassischem Öl mit wunderschönen Landschaften und Sonnenuntergängen.
Wie weiland Andy Warhol, der acht Stunden lang das Empire State Building in New York filmte, zeigt Henrike Daum (Jahrgang 1972) in ihrem Endlos-Video „Architectype“ auf einem Miniaturbildschirm eine Hausecke, an der nichts passiert – außer dass sich mal schneller, mal langsamer ein metereologisches Windrädchen zur Bestimmung der Windgeschwindigkeit unentwegt dreht.
Buchstäblich an den Haaren herbeigezogen sind Ursula Neugebauers (Jahrgang 1960) „Haar-Zeichnungen“ – aus feinstem Frauenhaar; so wie auch Franjo Tholen (ebenfalls Jahrgang 1960) den abgegriffenen Glauben und die abgenutzte Religion beim Wort nimmt und auf seiner 20-teiligen Fotoserie „Transfiguration“ die Kruzifixe gebrauchter Rosenkränze zeigt, deren Christusköpfe vom vielen Beten bis zur Unkenntlichkeit abgewetzt sind. Das Inferno des Lebens hat der älteste und bereits verstorbene Meisterschüler, Egbert von der Mehr (1942 bis 1998), in einer „Enzyklopädie meiner Bildwelt“ festgehalten – und akribisch in Tusche aufPapier als Pandämonium wimmelnder winziger, ineinander stürzender Figuren gezeichnet. Sein Lehrer verlieh ihm dafür den vielsagenden „Timm-und-Struppi-Preis“, mit dem Timm Ulrichs als Akademie-Professor der Kunst und sich selbst ein Schnippchen schlug.
©F. J. Bröder