In surreale Stillleben verwandelt Peter Schlör die Welt: Unter dem Titel "Deep Black" zeigt der Mannheimer Fotograf seine faszinierenden Schwarzweiß-Arbeiten jetzt im Rahmen einer Ausstellungstournee in der Fürther Kunstgalerie.
Peter Schlör lässt sich Zeit. Stundenlang, fast einen ganzen Tag, kann er auf Dünen oder Klippen verharren und dabei immer nur den einen Landschaftsausschnitt fixieren, der sich ihm weit unten zu seinen Füßen darbietet. Ein kleiner Abschnitt Meer zum Beispiel, das bei Flut immer weiter über den schwarzen Lava-Strand auf Lanzarote heranrollt. In hunderten von Fotos hält Schlör diesen Augenblick fest. Und wenn er dann vier davon auswählt und sie in einer Reihe nebeneinander stellt, meint der Betrachter, er erblicke das ganze Küstenpanorama.
"Raum-Zeit-Bilder" nennt der 1964 geborene Fotograf solche Arbeiten, die weite Panoramablicke suggerieren, tatsächlich aber den immer gleichen Blick vom selben Standpunkt aus zu verschiedenen Zeiten zeigen. Das klingt vergleichsweise einfach, führt aber im Ergebnis zu verblüffenden Verwandlungen; die Welt kippt ins Unwirkliche, Surreale.
Noch stärker ist das in der fünfteiligen Serie "Mirador del Rio" der Fall. Der Blick aus großer Höhe auf die nah herangezoomte Meeresoberfläche scheint auf eine Art Urform zu treffen, auf ein sich aufbäumendes, schlängelndes Gebilde mit schuppiger, rauer Haut. Und indem Schlör die Bilder auf den Kopf stellt, der schwarze Strand zum schwarzen Himmel wird, verliert der Beobachter vollends die Orientierung und wird in eine unbekannte Welt entführt.
Darin erweist sich die faszinierende Kunst des Autodidakten Schlör: Seine Bildmotive entstammen der Wirklichkeit, doch obwohl er nichts inszeniert, erschafft er in seinen Fotografien völlig neue Landschaften von intensiver atmosphärischer Kraft. Dabei spielt der Zeitfaktor eine große Rolle, aber auch das Gespür für Licht- und Schattenwirkung und für die ausschnitthafte Reduktion. Den wichtigsten Part aber übernimmt das Schwarz, das von abgründiger Tiefe ist. Schwarz, sagt Schlör, sei für ihn die "assoziativste Farbe". Mit ihr dramatisiert er seine Bilder, sie ist das Tableau, auf dem sich die Welt neu abbildet, nicht mehr als konkrete, sondern als eine Art erinnerte Realität, als Seelenlandschaft.
Meer, Wolken, Himmel, Schatten - für Schlör sind das Archetypen, zu denen er in seiner Fotografie zurückführen will. Auch Häuser und Höhlen gehören dazu. Schlörs Fotografien von Bauruinen auf dem Sinai erinnern mit ihren Schattenwürfen und tiefschwarzen Öffnungen frappierend an die metaphysische Malereie de Chiricos. Und seine Ansicht eines in Tuffstein gemeißelten Höhlendorfes im anatolischen Kappadokien, das schon seit Jahrzehnten verwaist ist, erscheint in seinem aus 24 Einzelbildern zusammengefügten Diptychon wie der Archetypus menschlicher Behausungen schlechthin. Unbedingt sehenswert.
Regina Urban