KulturSPIEGEL, Juni 2008, Heft 6

Nester und Kaskaden


Nadja Schöllhammer ritzt, schneidet und brennt filigrane Skulpturen aus Papier.

Wenn sie sich "allzu gemütlich" in Deutschland fühle, sagt Nadja Schöllhammer, dann fahre sie in "komische" Länder. In Kolumbien war sie gerade, mit einem Reisestipendium. Archaische Riten und Mythen interessieren sie, das Wilde, Unzivilisierte. Und das Abgründige, Triebhafte, die Frage nach Gewalt und nach Moral. Und das alles zeichnet sie, allerdings so, dass brutale Szenarien oder unheimliche Metaphern auf den ersten Blick schön und oft sogar niedlich aussehen. Das ist noch keine Sensation, die beginnt erst, wenn Schöllhammer, 36, in ihrem Pankower Atelier zu Skalpell und Gasbrenner greift, ihre Blätter in filigrane Skelette zerschneidet oder das Papier um die noch feuchte Farbe herum abbrennt. Und wenn sie dann die versengten und zerschnittenen Zeichnungen in ihre wuchernden raumgroßen Papierinstallationen einbaut, verwebt muss man besser sagen, oder schichtet - eigentlich fast nicht zu beschreiben, was für fragile Gespinste sie aus abstrakt bemalten Papierschnitten und ihren Cut-outs in den Raum wachsen lässt. Meterlang, -tief und -hoch baut Schöllhammer wochenlang ihre dreidimensionalen Bilder auf, mit Verdichtungen, die wie Nester, Inseln oder Kaskaden aussehen, manchmal vor einer gestisch bemalten Wandfläche. Acht solcher Installationen hat die gebürtige Schwäbin gezeigt, seit sie vor fünf Jahren die öffentliche Kunstszene betrat, und noch immer sucht sie nach dem richtigen Wort für ihre Arbeit. "Cut-outs ist zu schick, das Wort Papierschnitte gefällt mir nicht", sagt Schöllhammer. Aber darum ginge es ja nicht. Sie wolle überwältigen, den Betrachter hineinziehen und dann wieder rausschleudern. Das Hineinziehen klappt, viele Leute kämen auf sie zu und wollen trotz der Fragilität eine ihrer Arbeiten kaufen - allerdings "etwas kleiner". Ein unglaublicher Druck sei das, schließlich gehe "die Wertschätzung einer Arbeit auf dem Kunstmarkt über den Verkauf", und sie will auf jeden Fall von ihrer Arbeit leben. Aber zahmer werden, handlicher? "Nein", sagt Schöllhammer entschlossen, "runterfahren darf ich nicht."

Ingeborg Wiensowski

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