Nürnberger/ Fürther Nachrichten, 29.5.2008

Papiertheater zwischen Himmel und Hölle


Nadja Schöllhammer zeigt in der Kunstgalerie Fürth ihre Installation «Styx«

Mit der Ausstellung «Styx« der in Berlin lebenden Künstlerin Nadja Schöllhammer wird die Fürther Kunstgalerie zur Bühne – für ein großartiges Stück Papiertheater.

Fast könnte man meinen, eine zerstörerische Kraft hätte hier gewütet. Die rechte Wand aufgerissen, übergossen mit Farbschlieren, davor weiße Pfützen und zerfetzte Papierrollen. Der ganze Raum verwandelt, eine ans Licht gezerrte Tropfsteinhöhle. Eine neue Wand, nicht minder beschädigt, versperrt den Blick in den hinteren Teil.

Das furiose «Desaster« hat Nadja Schöllhammer angerichtet. Die bereits mehrfach ausgezeichnete Künstlerin sorgt damit für die wohl außergewöhnlichste Ausstellung, die in der von Hans-Peter Miksch mit sicherem Gespür für spannende Entdeckungen betreuten Galerie bislang zu sehen war. Tatsächlich ist das, was sich auf den ersten Blick so chaotisch ausnimmt, eine grandiose Installation aus Papier, vielfältigst bearbeitet, zerrissen, zerschnitten, angekokelt, bemalt, zerknüllt und zu einem Labyrinth collagiert, das erst beim Nähertreten seine überraschende Zartheit und seinen Geschichtenreichtum offenbart.

Geschichten von Grenzüberschreitungen

«Styx« hat Schöllhammer, 1971 in Esslingen geboren, ihr temporäres Werk genannt. Styx, wie der Fluss in der griechischen Mythologie, der die Welt der Lebenden vom Reich der Toten trennt. Und so handeln auch ihre Geschichten, die sie aufs Papier gezeichnet, aus dem Papier geschnitten hat, von Grenzüberschreitungen, von Leben und Sterben, Lust und Schmerz.

Narrativ ist dieses wuchtig-fragile Papiertheater gleichwohl nicht. Schöllhammer beschwört mythologische und heutige Bilder, die latent beunruhigende Assoziationen wecken. Am Anfang ihrer Geschichte ohne Anfang und Ende sieht man ein großes, mit rotem Stift gezeichnetes Boot, besetzt mit unzähligen Kinderköpfen. Am Ende erhebt sich wandhoch ein schwarzer Pinselschwung, tänzerisch und bedrohlich zugleich.

Bizarre Szenarien

Dazwischen rätselhaft-bizarre oder auch eindeutige Szenarien: Schöllhammer verwandelt eine Folterszene aus dem Abu-Ghuraib-Gefängnis in ein fast mythologisch anmutendes Zitat, lässt Friedrich Engels mit rosa Engelszunge züngeln, zeigt ein kopulierendes Paar und zwitterartige Wesen in brisanten Begegnungen.

Ein verstörendes Simultan-Theater, das in der Schwebe bleibt zwischen Gewalt und Schönheit und immer wieder über die Metamorphosen staunen lässt, die Schöllhammer dem Papier abringt. Texte und Linien erheben sich als fragile Cut-Outs, angekokelte Papiere nehmen völlig andere Materialanmutungen an und alles, was sich da so kaskadenartig über die Wände und den Boden ergießt, ist zerschnittenes Papier.

Schöllhammer hat fraglos ein Faible für das Morbide, Zwielichtige, auch für die Camouflage. Zeichnungen im hinteren Raum blättern ihr düsteres, goyahaftes Motivspektrum weiter auf. Eine im doppelten Sinn fantastische Ausstellung.

Regina Urban

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