Donaukurier, Ingolstadt, 22.7.2008

Zwei fränkische Künstlerschicksale


In Dachau sind sie sich über den Weg gelaufen, wohnten im selben Haus und nahmen Kunstunterricht bei Adolf Hölzel, dem Begründer der "Neu-Dachauer Schule", der auch Emil Nolde, Oskar Schlemmer und Johannes Itten zu seinen Schülern zählte. Beide kamen sie aus Franken, die angehenden Künstler Julius Graumann, geboren 1878 in Fürth, und Adolf Kertz, geboren 1880 in Nürnberg. 1907 gründeten sie in München gemeinsam eine "Schule für Malerei und Ornamentik" – und dann nahm ein "deutsches Schicksal" seinen Lauf: Adolf Kertz fiel am 18. Juli 1918 im Ersten Weltkrieg in Frankreich, Julius Graumann floh 1933 als Jude vor den Nazis nach Paris, versteckte sich dann in den Pyrenäen, wo ihn die Gestapo 1942 aufspürte und internierte; 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert und – wie alle über 60-Jährigen dieses Transports – sofort in der Gaskammer ermordet.

Jetzt widmet die Städtische Galerie Fürth den beiden Malerfreunden eine Ausstellung – und entdeckt zwei Künstler, die den Aufbruch "Vom Salon zur Abstraktion" (so der Titel der Fürther Ausstellung) mit vollzogen, denen die deutsche Geschichte jedoch einen Strich durch die Rechnung machte. Als süddeutsche Maler waren sie ganz der Tradition und dem bäuerlichen Boden verhaftet, eine Bodenhaftung, die bei Julius Graumann auf einen bäuerlich-derben Naturalismus hinauslief, der dem Landleben zwar in der Wahl seiner Sujets huldigte, freilich auch eine abstrahierende Peinture pflegte, die beim bewegten Gestus des Expressionismus ihre Anleihen nahm: Ein Bild wie "Die Heimkehr" von 1911 feiert noch das bukolische Idyll, das die "Blut-und-Boden-Maler" später ideologisch zum Kitsch pervertierten.

Anders der elegantere Adolf Kertz, in dessen Genre-Malerei sich schon das Großstadtleben mit seinen Amüsements und feinen Damen einschleicht: sein "Selbstporträt", um 1904 entstanden, zeigt in Großaufnahme den Künstler als jungen Mann mit Zigarre, der Rauchkringel in die Luft bläst – "A Portrait of the Artist as a Young Man", wie James Joyce es unnachahmlich in seiner Novelle von 1914 beschrieben hat.

Die Fürther Ausstellung entreißt zwei Künstler dem Vergessenwerden, deren unspektakuläres Werk den Stilbruch vom "Salon zur Moderne" widerspiegelt – ein Werk, das Fragment bleiben musste, weil die deutsche Geschichte das Schicksal der beiden Künstler aus Franken besiegelte.

Friedrich J. Bröder
Zurueck Zurück Versenden versendenDrucken drucken
2021 © kunst galerie fürth - Impressum
Links
Donaukurier