Nürnberger Zeitung, 8./9.11.2008

Da, da: Da ist Dada-Hannah!


Was für eine wilde Zeit! Selbst Picasso wurde angesteckt, montierte Lenker und Sattel eines Rennrads aufeinander und gab dem Ganzen den Titel «Stierkopf«. Man Ray bestückte – Schrecken jeder Hausfrau – die Fläche eines Bügeleisens mit Nägeln. Der Schlimmste aber war Marcel Duchamp: Stellte ein Pissoir auf den Kopf und nannte es «Springbrunnen«; nahm eine Kopie der «Mona Lisa« und pinselte der Lächelnden einen Dalí-Bart drauf. Das sollte Kunst sein – na bravo!

Heute, fast ein Jahrhundert später, hat die Kunstgeschichte den Dadaismus weitgehend entschärft. Und doch haftet ihm, im Gegensatz zu anderen künstlerischen Strömungen, wenigstens teilweise noch etwas Anarchisches, Tollkühnes an und gibt eine Ahnung davon, wie irritierend diese Werke in ihrer Entstehungszeit gewirkt haben müssen.

Davon zeugt jetzt auch eine Ausstellung in der kunst galerie fürth. Sie präsentiert eine ansprechende kleine Schau der Künstlerin Hannah Höch – als schönes Echo auf die Ausstellung, die der Galerie-Leiter Hans-Peter Miksch 2004 Raoul Hausmann widmete; mit ihm war Höch nicht nur künstlerisch verbunden, sondern auch privat liiert.

Kopf und Beine sind von der Hepburn

Die gezeigten Arbeiten beschränken sich nicht auf Höchs Dada-Phase, sondern führen bis in die 60er Jahre. Trotzdem sind in der Präsentation, die die Galerie vom ifa-Institut Stuttgart übernommen und um sieben Werke aus dem Höch-Fundus des Germanischen Nationalmuseums erweitert hat, keine stilistischen Brüche auszumachen. Das mag daran liegen, dass die Künstlerin (1889–1978) der dadaistischen Gestaltungsform der Collage ihr Leben lang treu blieb – der erfreulicherweise bis heute nichts Antiquiertes anhaftet.

Die Technik ist im Grunde einfach: Haben Sie zufällig eine Nähmaschine, einen Regenschirm und einen Seziertisch? Nein? Na, egal! Es geht darum, dass Dinge, Stoffe oder sonstige Materialien, die auf den ersten Blick nichts verbindet, im Miteinander ganz neue Erkenntnisse freisetzen sollen. Viele Dada-Künstler hoben Fundstücke auf der Straße auf, weggeworfene Eintrittskarten zum Beispiel, und klebten sie mit anderem auf Papier. Höch sammelte auch, aber überwiegend Bilder, die sie aus Zeitschriften schnitt: Dann bekam die Fotografie eines Kindergesichts den grotesk weit aufgerissenen Mund von einem anderen Foto verpasst. Auf der Collage «Die starken Männer« hat sie den männlichen Kopf zur Hälfte mit dem einer Frau überklebt. Und wer auch immer die Tänzerin Riza Abasi gewesen sein mag, der Höch 1963 eine Hommage widmete – Kopf und Beine der Dame gehören eindeutig der Schauspielerin Audrey Hepburn.

Anders als es der aus der Kindersprache entliehene Begriff «Dada« suggeriert, ging es um weit mehr als kuriose Spielerei. Dada war die mitunter fast aggressive Reaktion auf die blutigen Gemetzel des Ersten Weltkriegs, als sich die Kunst außerstande sah, eine Art «heilen« Gegenentwurf zu erbringen. Welt und Kunst waren zerstückelt, zerschnitten, notdürftig und schief zusammengeklebt. Zwar trotzte Höch der Zeit auch Bilder von surrealer Poesie ab; ihnen stehen aber selbst in späteren Jahren immer wieder Werke mit Titeln wie «Totempfahl« und «Gesprengte Einheit« gegenüber. Da hatte Höch, die noch im Alter mit hellwachen Augen in die Kamera blickte, zwei Weltkriege erlebt.

Tamara Dotterweich




Copyright: © kunst galerie fürth 2007
https://www.fuerth.de/kunstgaleriefuerth/desktopdefault.aspx/tabid-613/