Nürnberger/ Fürther Nachrichten, 8./9.11.2008

Die Welt als absurdes Theater


Ironie als Grundzug: kunst galerie fürth stellt Werke von Hannah Höch aus

Als eine der wichtigsten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts gilt heute die Malerin und Grafikerin Hannah Höch (1889-1978). Besonders geschätzt werden ihre zeitkritischen Foto-Collagen, die sie im Rahmen der DADA-Bewegung gleich nach dem Ersten Weltkrieg schuf.

Sie selbst wehrte sich allerdings gegen diese einseitige Zuordnung mit den Worten: «Ich habe alles gemacht, und mich um Handschrift und Merkmal nie gekümmert.« Wie vielgestaltig sie ihre dadaistischen Anfänge weiterentwickelt hat, zeigt jetzt eine Ausstellung in der städtischen KunstGalerie Fürth.

Ironische Distanz

Ironie ist der Grundzug all der unterschiedlichen Arbeiten, die Höch im Lauf ihres Lebens gemalt, gezeichnet und geklebt hat. Das gutbürgerliche Milieu ihrer Kindheit betrachtete sie ebenso skeptisch wie die von betont selbstbewussten Männern beherrschte Kunstszene, in der sie sich in den 20er Jahren bewegte.

Eine eindeutig ironische Distanz zum Zeitgeist wahrte sie nicht nur während der NS-Herrschaft, sondern auch nach 1945. Wie verspielte Parodien der abstrakten Nachkriegskunst wirken manche Bilder, andere sind offensichtlich satirische Anmerkungen zu den Folgen des gewaltigen Konsumrauschs, mit dem in Westdeutschland das Wirtschaftswunder gefeiert wurde. Die gesellschaftliche Realität war und bleib für die Nietzsche-Leserin Hannah Höch ein absurdes Kasperle-Theater.

Wie groteske Marionetten

Da ist es nur konsequent, dass die Menschen auf Höchs Klebebildern allesamt wie groteske Marionetten aussehen. So etwa die ganz dem «germanischen Schönheitsideal angepasste Maid im Zentrum der Collage «Für ein Fest gemacht« von 1936 oder das starr blickende Kopffüßler-Paar von 1963, eine Variation des seit jeher beliebten Satire-Themas «alter Mann verguckt sich in junge Frau«.

In jedem Fall besticht vor allem die Mach-Art, die locker und spontan erscheint, aber dennoch nichts zu tun hat mit der schludrigen Form-Verachtung vieler Neodada- und Fluxusprodukte. Höch, die in jungen Jahren halbtags als Zeichnerin für eine Handarbeitszeitung aus dem Ullstein-Verlag arbeitete, sagte über ihre Collagen: «Auch für diese Form, sich künstlerisch zu bekennen, gelten formale und farbliche Kompositionsgesetze.«

Meilenweit entfernt von der Antikunst-Attitüde

Die Fürther Ausstellung, die Arbeiten aus der Zeit zwischen 1916 und 1967 umfasst, zeigt nicht zuletzt, wie meilenweit entfernt sie stets war von der provozierenden Antikunst-Attitüde, die während des besagten Zeitraums immer wieder einmal als chic galt.

Mehrere Leihgaben aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg offenbaren sogar eine fest in der europäischen Kunsttradition verwurzelte Hannah Höch. Frühe abstrakte Farbholzschnitte erinnern an die ornamentale Spielart des Jugendstils. Nachklang eines noch älteren bürgerlichen Bildverständnisses sind die Scherenschnitt-Porträts, die Höch von sich selbst und von ihrer «großen Liebe«, dem «Dadasophen« Raoul Hausmann, angefertigt hat.

Bernd Zachow

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