Nürnberger & Fürther Nachrichten, 14./ 15.11.2009

Die Poesie des Einfachen und Vergänglichen

Die Fürther Kunstgalerie zeigt Skulpturen von Reiner Bergmann und Horst Münch


Wo «Wertanlage« drauf steht, sollte man in Zeiten der Bankenkrise ganz genau hinschauen. Bei Reiner Bergmann und Horst Münch, die unter diesem Titel den «Skulpturenherbst« in der Fürther Kunstgalerie fortsetzen, ist Misstrauen jedoch gänzlich unbegründet. Genaues Hinschauen lohnt sich dafür umso mehr.

Die beiden 1950 und 1951 in Nürnberg geborenen Künstler sind enge Freunde und Geistesverwandte, geprägt vom Existenzialismus, von Becketts «Ästhetik des Scheiterns« (gemeint nicht als Misslingen, sondern als Befreiung) und dem Bewusstsein, dass das Wichtige, Wertvolle oft im Einfachen, Vergänglichen liegt.

Bei Bergmann ist das auf den ersten Blick evident: Erst kürzlich musste er sein dreijähriges Domizil auf dem Wolfgangshof in Anwanden verlassen, das er in eine Wunderkammer so skurriler wie poetischer Kunstschätze verwandelt hatte. Viele davon findet man in der Ausstellung wieder: Nostalgisch stimmende Fantasieobjekte aus Fundstücken des Alltags, aus Holzrahmen, von denen die Farbe blättert, aus rostigen Eisenstangen und alten Schränken, zerschnittenen Lkw–Reifen, Sägeblättern, Blechspielzeug.

Feiner Wortwitz

Mit leiser Ironie und feinem Wortwitz fügt Bergmann diese Fundstücke zu Skulpturen zusammen, die er «Bauhütte« oder «Hauptsache, warme Pantoffeln im Keller« oder «Spätnachrichten« nennt und die ihre Titel im Wortsinne auf den Punkt bringen. Unwiderstehlich ist die Einladung in das «Melancholie« genannte Denkerstübchen – ursprünglich ein Schrank, in dem man via-à-vis von Dürers titelgebendem Kupferstich Platz nehmen darf.

Von Bergmanns Arbeiten geht eine wärmende Menschlichkeit aus, die Beiträge von Horst Münch, der seit 1982 in Köln lebt, wirken dagegen kühler, distanzierter, auch gesellschaftskritischer. Eine umfangreiche Schwarzweiß-Fotoserie, entstanden 1974 bis 1976, führt auf vollkommen unprätentiöse Weise den ästhetischen Wandel der tristen Alltagswelt vor Augen.

Die fünfteilige Installation «Robert Johnson’s Welt« erinnert im Titel an den legendenumwobenen Bluesgitarristen, doch hüten die fünf mit Glasscheiben bedeckten Holzkisten keine Fan-Requisiten, sondern fragile Konstruktionen aus Holzstäben, ein durchbohrtes Quadrat, mit Alufarbe besprühten Bauschaum, eine große, gefaltete Gipspappe. Münch lässt bewusst viel Assoziationsraum, deutet nur anhand der Untertitel – «Die tote Zeit«, «Folter« – eher ins Düstere weisende Gedanken an. Ein ebenso beunruhigendes wie spannendes Werk.

Regina Urban




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