Fürther Nachrichten, 16./17.1.2010
Die Welt hinter den Scheiben Jürgen Durners Arbeiten in der kunst galerie fürth
Was wäre, wenn alles, was um uns ist, in einem Bild verschwinden könnte? In einem Werk, dass vieles zeigt und nichts mehr abbildet? In dem jeder entdeckt, was er sucht? Arbeiten von Jürgen Durner, die auch solchen Gedankenspielen nachspüren, zeigt unter dem Titel «Disappearance - Der hermetische Spiegel« die kunst galerie fürth in einer Doppelausstellung mit dem Kunstmuseum Erlangen.
Dunst liegt über der Dämmerung in den Straßen der Stadt. Oder fällt unser Blick gerade durch eine Milchglasscheibe? Irgendjemand hat gegenüber Licht gemacht. Die Typen, die mit ihren Spraydosen die eintönige Wand da drüben aus ihrer Anonymität gerissen haben, wurden wohl gestört. Oder warum sehen ihre Pieces so unfertig aus? Wo sind wir überhaupt?
«Disappearance« nennt Jürgen Durner seine großformatige Arbeit, die so wenig preisgibt und dabei so vielen Vorstellungen auf die Sprünge hilft. Der 45-Jährige, der aus Nürnberg stammt und seit 2005 in Berlin lebt, hat einige Jahre in Fürth verbracht. Ganz losgekommen ist er von der Stadt nie, noch immer hat er ein kleines Atelier in der Südstadt, das er zeitweise nutzt: «Fürth verlässt man gern und kommt gern wieder, es hat einfach einen gewissen Charme«, sagt der Mann, den kunst-galerie-Chef Hans-Peter Miksch als einen der bedeutensten Maler der Region vorstellt.
Der Fürther Part der aktuellen Doppelausstellung wird geprägt von kräftigen Farben. Blau leuchtet. Ein sattes Rot brennt sich ein. Töne, die sich ohne Umwege als Stimmungsmacher in die Gefühle des Betrachters schleichen, noch bevor intensiveres Schauen einsetzt. In diesen seit 2005 entstandenen Werken setzt sich Durner mit einer ganz bestimmten Art von Spiegelungen auseinander. Hier sind es die Reflexionen, die entstehen, wenn der Blick bei Nacht aus einem Fenster fällt. Das Draußen ist nicht mehr zu erkennen, was Drinnen ist, zeichnet sich auf der Scheibe ab. Ein geschlossener Raum spiegelt sich und gibt doch kein exaktes Bild der Wirklichkeit.
Der Zuschauer wird mit einer Pseudorealität konfrontiert, die vibrierende Spannung aufbaut, Fragen aufwirft und Antworten allenfalls aus der eigenen Erlebniswelt provoziert. So wie in jenem «Bühnen-Bild«, das Lichtinseln aus den Schatten hervorholt und auf den Punkt genau bereit zu sein scheint – bloß wofür? Das ist spätestens der Moment, in dem die Gedankenmaschinerie einsetzt und beginnt, Geschichten zu entwerfen. Leben hineinzustellen in den sorgsam präparierten Raum.
Technisch vollendete Lasurmalerei mit Öl auf Leinwand zeigt Jürgen Durner. Am Anfang des Entstehungsprozesses steht bei ihm die Fotografie. Mit der Kamera nimmt er Serien von einem Ort auf. Bis zu 30 Motive können das sein. Wie das aussieht, zeigt er mit einer Reihe kleinformatiger Aufnahmen aus New York, Nürnberg, Berlin, London. Er spürt Details auf. Ein frischlackiertes Garagentor. Eine mattglänzende Lieferwagenwand. «Der Erlebnisfaktor ist mir wichtig«, erklärt Durner. Die Abzüge kommen auf seinen Arbeitstisch: «Dann spiele ich, kombiniere und probiere aus, wie Räumlichkeiten wirken.« Wochen und Monate kann diese Annäherung währen. Ist diese Findung abgeschlossen, geht er ins Atelier. «Während ich male, kommen Geschichten hoch, die während der Arbeit in mir umherwandern.« Intime Momente, die nicht selten einem Werk zu seinem Titel verhelfen.
Die aktuelle Ausstellungsperiode wird Jürgen Durner als «Erholungsphase« nutzen. Ausruhen will er, mit den Kindern spielen und «ein bisschen experimentieren«. Neue Gedanken reifen lassen.
Die Welt, wie Durner sie sieht, verspricht spannend zu bleiben. Das ist ein Glück.
Sabine Rempe |