Nürnberger und Fürther Nachrichten, 27.4.2010

Im festen Griff der Würgefeige


Banyan-Baum diente Profis und Laien als Inspiration - Ausstellung in Fürth

Mit dem kultisch verehrten Banyan-Baum, auch Würgefeige genannt, setzt sich die aktuelle Ausstellung in der Kunstgalerie Fürth auseinander. »Der Banyan-Baum - Kunst und Begegnung« zeigt Arbeiten von 50 Künstlern aus 25 Ländern, auf deren Grundlage Laien eigene Entwürfe gestalteten.

Die Würgefeige ist ein raffinierter Zeitgenosse: Über den Kot von Vögeln gelangt ihr Samen auf Bäume. Dort geht er auf, die Pflanze bildet Luftwurzeln - und erdrosselt ihren Wirt. Kaum zu glauben, dass der in zahlreichen Wohnungen und Büros gedeihende Ficus benjamina aus derselben Gattung stammt wie der riesige Banyan, der bis zu 300 Quadratmeter Fläche bedecken kann.

Was das Ganze nun mit Kunst zu tun hat? Erstmal gar nichts. Der Berliner Medienkünstler Alfred Banze war allerdings fasziniert von den Überlebens- und Wachstumsstrategien der Würgefeige, die keinen zentralen Stamm hat, sondern ein Geflecht aus Wurzeln bildet. Da war er wieder, der heutzutage omnipräsente Netzwerkgedanke.

Zahlreiche Mythen

Und so bereiste Alfred Banze von 2004 bis 2008 in Begleitung der Malerin Christine Falk das Verbreitungsgebiet des Baumes, der in Asien, Afrika, Australien, Ozeanien und Südamerika beheimatet ist. Zahlreiche Mythen ranken sich um den mächtigen Banyan: Es heißt, der Teufel wohne in ihm, er wird aber auch verehrt und als Heilpflanze eingesetzt.

Auch die Damenwelt lässt sich mit ihm betören, wie ein Kunstwerk von George Tancredo aus Guyana beweist: Die kleine Skulptur zeigt den Baum und ein Pärchen. Berührt man die Frau seines Herzens mit einer der Wurzeln, so verliebt sie sich. Aber Vorsicht: Wendet man den Zauber zu oft an, stirbt sie oder wird verrückt.

Diese Geschichten tragen die Zusammenstellung, die mit der gewohnten Ausstellungsästhetik bricht. Malereien, Skulpturen, Fotos und viele Videos erschlagen den Besucher, der sich zudem durch jede Menge Infos lesen muss, um den Bezug der Werke untereinander zu verstehen. Zu entdecken gibt es jedoch witzige, nachdenkliche, poetische und politische Arbeiten. Denn Alfred Banze und Christine Falk nahmen die Kunstwerke mit auf Reisen und zeigten sie Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Laien, die sich in Workshops damit auseinandersetzten und eigene Interpretationen entwarfen, sogenannte »Remixe«.

Projekt der Begegnung

Schüler aus Berlin-Neukölln reagierten auf das Foto einer Installation des thailändischen Documenta-Teilnehmers Sakarin Krue-On mit einer Skulptur aus PET-Flaschen. Sakarin Krue-On hatte neonfarbene Wasserbottiche zerschnitten und in einem Fluss schwimmen lassen. »Mein Ziel war, herauszufinden, inwieweit Kunst aus unterschiedlichen Kulturen außerhalb ihrer Heimat funktioniert«, sagt Banze, der sein Projekt auch als »Erkundung der Korrespondenzfähigkeit regionaler Kulturen« beschreibt.

In jedem Fall ist es ein Projekt der Begegnung geworden, das zunächst nur im Internet präsentiert werden sollte, nun aber seit Anfang 2009 als Wanderausstellung durch die ganze Welt tourt. Neben Fürth war Berlin die einzige deutsche Station der Schau, die zuvor auf den Fiji-Inseln zu sehen war und im Juni nach China weiterreist - also weiter fröhlich Luftwurzeln bildet.

Susanne Helmer




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