Fürther Nachrichten, 26./27.6.2010

Die Nacht, der Dampf, die Loks

O. Winston Links epochale Bahn-Fotografien in der kunst galerie fürth


Er war Regisseur ebenso sehr wie Fotokünstler: O. Winston Link überließ wirklich nichts dem Zufall. In der kunst galerie fürth sind ab Samstag 53 Aufnahmen des amerikanischen Eisenbahnfotografen zu sehen: »Steam and Steel - Die letzten Dampflokomotiven der USA«, ist ein Gruß an den Adler zum 175. Bahnjubiläum.

Es muss ein magischer Moment gewesen sein, jener Abend im Januar 1955, als der New Yorker Ogle Winston Link auf dem Bahnhof von Waynesboro in Virginia stand und die stampfende, fauchende, qualmende Einfahrt des Nachtzugs bestaunte. In diesem Augenblick beschloss der Werbefotograf, die Welt der Dampfzüge, die längst schon dem Untergang geweiht war, zu dokumentieren.

Die nächsten fünf Jahre setzte der damals 41-Jährige auf eigene Kosten eine beinahe unglaubliche Materialschlacht in Gang, um sein Ziel zu erreichen. Die unvergleichliche Dramatik seiner Aufnahmen erreichte er nicht zuletzt, weil er bevorzugt nachts fotografierte. Dafür setzte er wahre Batterien von Blitzlichtern ein. Teilweise schaltete Link bis zu 60 Blitze in Reihe, dafür brauchte er nicht nur eigens für diesen Zweck von ihm entwickelte Aggregate, sondern auch mehr als einen Kilometer Kabel. Wechselnde Assistenten halfen dem eisenbahnbegeisterten Könner beim Aufbau, der bis heute abenteuerlich anmutet.

Der Mann, der jedes Bild wie einen abendfüllenden Spielfilm inszenierte, besaß das unbedingte Gespür für den perfekten Standpunkt. Wenn der dummerweise mitten in einem Fluss, am Rand eines Wasserfalls, lag, war das vielleicht hinderlich - aber kein Grund, die Aufnahme abzublasen. O. Winston Link suchte und fand Motive und Blickwinkel, die längst zu Ikonen der Fotografie wurden.

Die Menschen, die er als Statisten arrangierte und mit Trinkgeldern entlohnte, verkörpern heute ein Stück weit den Mythos vom amerikanischen Pioniergeist. Der Lokführer mit seinem lässigen Halstuch, die kleinen Mädchen, die hingebungsvoll an ihren Lollys lutschen, der Handelsvertreter für Süßwaren, der nach getanem Tagwerk Kasse macht - sie alle strahlen einen verblüffend selbstverständlichen Optimismus aus.

Rund 2400 Aufnahmen machte O. Winston Link bis 1960 - bis zu dem Tag, an dem zum allerletzten Mal eine Dampflok im regulären Güterverkehr fuhr. Mit seinen Bildern hat der unermüdliche Eisenbahnfotograf eine Welt verewigt, die inzwischen längst (Technik-) Geschichte ist. Kein Wunder, dass seine Arbeiten vor allem in den USA seit ihrer Wiederentdeckung und Renaissance in den 80er Jahren Kultstatus erreicht haben.

Für Galeriechef Hans-Peter Miksch ist dieser Beitrag seines Hauses zum 175. Eisenbahnjubiläum in doppelter Weise ideal: »O. Winston Link hat künstlerisch hochambitionierte fotografische Kompositionen mit Sehnsuchtspotenzial geschaffen, zugleich ist seine Arbeit bis heute inspirierend.«

Einfluss bis heute

Nicht zuletzt heimische Künstler wie Fürths Kulturpreisträger 2009, Oliver Boberg, sieht Miksch in der Folge von Link. Erasmus Schröter wiederum, der 2005 in der kunst galerie fürth ausstellte, habe ihn angerufen, als er von der Link-Schau hörte, und erklärt, dass ihn diese Aufnahmen begeistert und beeinflusst haben, weiß Miksch zu berichten.

Die 53 nun in Fürth zu sehenden Bilder, die in Deutschland bisher nur in Hamburg präsentiert wurden, hat Miksch übrigens direkt aus dem Link-Museum in Roanoke in Virginia bekommen. Ein Motiv, das nicht in dem zugesandten Konvolut war, hat er als Poster hinzugefügt. Die Aufnahme mit dem schönen Titel »Hotshot eastbound at the Iaeger Drive-In, 1956« vereint ein ganzes Konglomerat von (Männer-)Träumen: Eine prachtvolle Dampflok passiert ein Autokino, auf dessen Leinwand ein Flugzeug zu sehen ist, während ein heftig gegelter junger Mann im Cabrio ein schönes Mädchen im Arm hält.

Eine Szene, so berühmt, dass die Simpsons sie in einem Comic nachstellten - mehr Kult geht nicht.

SABINE REMPE




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