Nürnberger Zeitung, 21.9.2010

Mit der Schere in die Quere

"Cut.X" in der kunst galerie fürth


Mit Scherenschnittkunst war lange Zeit kein Blumentopf mehr zu gewinnen. „Zeichnen mit der Schere“ galt für viele als tantenhaft, es traumatisierte Grundschüler im Werkunterricht, war als spießig und uncool verschrien. Doch siehe da: Erweitert um das sogenannte „Cutout“ mit Skalpell oder Cutter, erlebt das ehrwürdige Verfahren in der Kunstwelt eine spannende Renaissance.

Hans-Peter Miksch von der Kunstgalerie Fürth hat jetzt als erster Ausstellungsmacher in der Region reagiert. Mit trashigen Themen, ungewohnten Wandkompositionen und einem gewollten Querschläger der schnittigen Bildverarbeitung zeigt er in der Ausstellung „Cut. X“ anhand von sieben markanten Künstlern die Bandbreite der aktuellen Szene auf.

Die Leipzigerin Annette Schröter ist mit ihren großformatigen Werken vorne dabei. Und zwar ausgerechnet mit einem ornamentalen Wandbehang. Heimelig? Von wegen. Aus einem Meer heraldischer Lilien-Ornamente – Symbole vieler Königswappen – sticht ein riesiges Prozentzeichen heraus. Was ironisch den finanziellen Verfall der Royals kommentiert. Überdies dekliniert Schröter diverse Umbrüche der Historie als vermeintlich harmlose Scherenschnitte durch. Mit der Serie „Alles über die Rose“ zum Beispiel – in der dann ein Panzer alles, auch Rosen, überfährt.

Ganz anders der poetische Ansatz von Zipora Rafaelov, die mit fragilen schwarzen Liniengespinsten und Weißschnitten zwischen Doppelglas sehr stille Arbeiten zeigt. Die es aber trotzdem in sich haben: So gelang es der Israelitin etwa, biblische Frauengestalten sowie Gegenstände in ihren flirrenden Arbeiten zu verstecken.

Stefan Saffer, der quasi als „Ausreißer“ klassische Muster durchbricht, ging andersherum vor: Er holte heraus. Mit Schnittformen aus Alumetall überführte er seine „Cutouts“ buchstäblich ins Räumliche.

Wahrnehmen heißt Ausschneiden. Bei den „Cuts“ überwindet die Zeichnung das Zweidimensionale und gewinnt durch den Schattenwurf eine weitere Dimension hinzu. Was die Wandcollage der Nürnberger Künstlerinnen Yvonne Jakob und Daniela Huber prima zeigt, die Assoziationen zu „Natur“ und „Stadt“ materialübergreifend montierten.

Während der Berliner Hansjörg Schneider das Wesenhafte am klaren Hell- und Dunkelspiel der Bauhaus-Architektur gelungen heraushebt, setzt die Künstlerin Harriet Groß frech ihre raumfüllende Schnittinstallation als Annäherung an den menschlichen Bewusstseinsstrom um. Bildmotive, aber auch Gitter und Raster sind kreuz und quer im Raum verzurrt. Die Netzhaut als Fangnetz für Realitäten. Scharf!

Christian Mückl




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