20. Mai bis 26. Juni 2011

Soul Train - Positionen der Zeichnung


Christine Leins, Susanne Roth, Anita Stöhr Weber

Die Zeichnung ist das älteste und wendigste künstlerische Medium, selten hip, aber immer präsent. So, wie das Auge dem Dargestellten im linearen Geschehen der Zeichnung folgt, glaubt man, dem Künstler und dem künstlerischen Prozess besonders nahe zu sein, und es öffnet sich in besonderer Weise ein energiegeladener, geistiger Raum. Der Eindruck, in der Zeichnung einer Form der Ökonomie des Affekts zu begegnen wie sonst nur in der Unmittelbarkeit der Musik, hat die Veranstalter der Ausstellung in der Metropolregion Nürnberg zu ihrem Titel inspiriert.

Fünf Galerien und Museen haben sich zu dem Ausstellungsprojekt zusammengeschlossen, um einen städteübergreifenden Fokus auf das Sujet zu lenken. Insgesamt werden dabei elf Zeichnerinnen und Zeichner vorgestellt. Lange Zeit galt als Zeichnung eine Arbeit auf Papier. Selbst die die Fotografie (als Lichtzeichnung) umfassende Definition von Zeichnung als lineares Geschehen umfasst nicht hundertprozentig all das, was als Zeichnung verhandelt und ausgestellt wird. Doch liegt der Schwerpunkt dieser Ausstellung nicht auf der Grenzerweiterung.

Weitere Ausstellungsorte sind das Kunstmuseum Erlangen e.V., das Galeriehaus Nürnberg Nord und die Galerie Lutz in Nürnberg, sowie die Städtische Galerie im Bürgerhaus in Schwabach (Näheres siehe unten).

Die kunst galerie fürth stellt mit Christine Leins (geb. 1969 in Kaiserslautern) aus Gröbenzell bei München, Susanne Roth (geb. 1973 in Schweinfurt) aus Fürth, und Anita Stöhr Weber (geb. 1958 in Lauffen a. Neckar) aus Berlin drei Zeichnerinnen vor, bei denen die Ähnlichkeiten des künstlerischen Temperaments und Gemeinsamkeiten der Ausdrucksweise mehr zählen als Trennendes. Die drei Künstlerinnen lernten sich erst über das Projekt kennen, aber Vieles verbindet sie: Sie arbeiten weitgehend gegenstandsfrei. Sie favorisieren stille Arbeiten und Techniken, die der Unmittelbarkeit entgegenstehen (bspw. die Frottage). Sie übersetzen ihre Ideen in technisch brillante, hochabstrahierte Werke, eine subtil wirkende Verunsicherung des Betrachters ist wichtiger als ein überwältigender Gestus.

Die Aquarelle von Christine Leins sind kleine Wunderwerke, bei denen der Eindruck sich aufdrängt, die Farbe würde aus dem Blatt heraus pulsieren. Jeder Gestus, jede Spur einer Handschrift sind sorgfältig vermieden. Die Künstlerin, ausgebildet als wissenschaftliche Zeichnerin, hat jahrelang vor allem mit dem Stereomikroskop Insektenkörper gezeichnet und aquarelliert. Das quasi Hingehauchte und ätherisch Opake der sogenannten Punktlasuren (als Aquarelle mit einer einzigen Farbe, oder mit Tusche und Bister) von Christine Leins lässt den Besucher im Atelier vor den ungeschützten Blättern regelrecht zurückschrecken, Wolfram Morath-Vogel benutzt den Begriff „intangibel“. Ein strahlendes, vollkommen lautloses Pulsieren scheint aus diesen Blättern zu kommen, die, wenn überhaupt an etwas, dann an zarte, sommerliche Farbschatten erinnern. Die „wattigen Punkte“ (A. M. Opel) verführen zu Metaphern wie der, es handele sich wie um ein Sehen mit geschlossenen Augen (Morath-Vogel), oder um Zeichnungen wie aus dem Nichts und konnotationslos, also so, als habe sich die Zeichnung selbst gezeichnet. Jegliche Handschriftlichkeit ist vermieden. Die Künstlerin stellt fest, dass es sich dabei um Formen handelt, die sich nicht mehr der sichtbaren Welt verdanken, dass sie Strukturen schafft, die das Licht förmlich einschließen.

Die in Fürth lebende Susanne Roth hat in Nürnberg und Karlsruhe studiert. Ihre Papierarbeiten sind zuweilen minimalistisch, wenn sie lediglich etwas Vorhandenes (Altersspuren) gebrauchter Papiere verstärkt, rhythmisiert oder gar teilweise tilgt. Sie geht also von der – wenn man so will – Geschichte der gefundenen und gesammelten Papiere aus (das können ein nicht gebrauchtes altes Rechnungsbuch sein oder verblichene Karteikarten). Ein auktoriales Geschehen ist im Grunde nicht erkennbar, Susanne Roth nimmt sich soweit wie möglich zurück, ohne sich gänzlich auf objects trouvés zu verlassen. Eine Autorin nannte es „neue Formen der Bildgenese“. Susanne Roth poliert die Oberfläche oder ergänzt Lineaturen, bei anderen Blättern schabt sie vorsichtig gedruckte Linien weg, lässt eine Partitur aus Punkten entstehen. Wenn sie auf gekaufte Papierbogen mit verdünnter Acryltusche malt, dann ist das kein Malen im herkömmlichen Sinn, sondern eher eine Versuchsanordnung für den spielerischen, aber höchst präzisen Gebrauch von Farbe. Mehrmals werden zwei sehr wässrige Farben nebeneinander gesetzt und das Blatt wird so angehoben, dass die Tropfen herabrinnen. Die Künstlerin präsentiert Papierarbeiten, die man durchaus Zeichnungen nennen darf, die aber präziser als konzeptuelle Arbeiten mit (sic!) Papier beschrieben werden müssten.

Anita Stöhr Weber zeigt Frottagen von (rohen) Leinwänden mit dem Titel „Malgrund“. Es geht ihr dabei auch um Grundlagen des bildnerischen Gestaltens. Die Frottagen von Leinwänden sind gewissermaßen Abformungen des Malgrundes, den man bei einem Gemälde nicht mehr sieht (von vorne, von hinten in der Regel dagegen sehr wohl). Das Gewebe als Textur wird aufgerufen, seine sinnliche Existenz muss sich der Betrachter jedoch selbst vorstellen. Gezeigt werden auch Beispiele einer Werkgruppe ("in Sicherheit"), bei der sie sich mit sogenannten Sicherheitspapieren beschäftigt (Papieren mit einem dichten Aufdruck aus Buchstaben, um einen sicherheitsrelevanten Text wie eine Kontonummer zu verbergen). Dennoch haben diese Werkgruppen gemeinsame formale Bezüge, die auf Kunst mit Textilien hinweisen. So konsequent wie ihre beiden Mitausstellerinnen misstraut sie der abbildenden Funktion von Kunst. Bei „Hellorange“ wird ein farbiger Kreis auf einem an der Wand befestigten Din-A4-Papier in der Art gezogen, dass der Pinselstrich über den Rand des Papiers hinaus die Wand touchiert. Das wieder abgenommene Papier wird gerahmt und neben die Leerstelle an die Wand gehängt. Auf der Wand bleibt die Spur der farbigen Kreisbahn. Eine Leerstelle wird markiert, die eine andere Leerstelle verdeckt – bereits die Beschreibung der Versuchsanordnung lässt an eine philosophische Fragestellung denken: Als handele es sich um puren ZEN.

19.5. – 19.6. 2011: Thomas Müller (Stuttgart), Peter Radelfinger (Zürich), Galeriehaus Nord, Wurzelbauerstraße 29, 90409 Nürnberg

20.5. – 26.6. 2011: Christine Leins (München), Susanne Roth (Fürth), Anita Stöhr Weber (Berlin), kunst galerie fürth, Königsplatz 1, 90762 Fürth,

22.5. – 19. 6. 2011: Michael Jordan (Fürth), Roger Libesch (Erlangen), Kunstmuseum Erlangen e.V., Nürnberger Str. 9, 91052 Erlangen

26.5. – 23.6. 2011: Birgit Bossert (Nürnberg), Rainer Thomas (Fürth), Galerie Lutz, Meuschelstr. 51 (Eingang Friedrichstr.), 90408 Nürnberg

27.5. – 24.6. 2011: Gisela Hoffmann (Roßtal), Helmut Kirsch (Nürnberg), Städtische Galerie Bürgerhaus Schwabach, Königsplatz 29a, 91126 Schwabach

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