Nürnberger Zeitung, 15./16.1.2011

Wie dahingehaucht hätten Sie`s gern?


Kantiger Klassiker: Christian Schad in der kunst galerie fürth

Es gibt bildende und es gibt gebildete Künstler. Und dann noch gebildete bildende Künstler. Den deutschen Maler und Graphiker Christian Schad (1894–1982) darf man getrost zu Letzteren zählen.

Mit einem französischen Kindermädchen bedacht, das den Knaben im oberbayerischen Miesbach mehrsprachig aufzog. In ein millionenschweres Elternhaus geboren, das früh die musikalischen Neigungen des Sohns förderte. Dazu mit engen Kontakten zum bayerischen Herrscherhaus versehen, schien dem jungen Mann die Welt zunächst ausschließlich offen zu stehen. Weil aber der Herr Papa Carl Schad nicht nur Geheimer Justizrat war, sondern auch von halsbrecherischer Spielsucht besessen, kam alles anders: Er brachte einen Großteil des Geldes durch.

Als dann die Jahre der Inflation dem Restvermögen den Gnadenstoß gaben, sah sich Christian Schad im Jahr 1930 damit konfrontiert, etwas ändern zu müssen. Womöglich nicht mehr ganz so getrost durch die Welt zu gondeln und in den Wogen des Expressionismus vergleichsweise geruhsam und altmeisterlich dahinzumalen. Also setzte er – obwohl er schon den Papst porträtieren hatte dürfen, also keine kleine Nummer mehr war – knallhart auf den zweiten Bildungsweg: Eine Ausbildung in Lassowerfen und Stepptanz.

Hätte Schad den Clowns im Zirkus nicht doch bald wieder den Rücken gekehrt und auch seinen nächsten Job als Vertreter einer Brauerei auströpfeln lassen, gäbe es in der Kunst-Galerie Fürth jetzt nicht diese neue Schau. Was schade wäre. Unter dem Titel „Die Unruhe der Moderne“ werden anhand von 80 „Druckgraphiken und Schadographien 1913–1981“ Einblicke in das Lebenswerk des kantigen Klassikers gewährt.

Markant an ihm ist, dass er als Expressionist begann, dann zu einem Hauptprotagonisten der „Neuen Sachlichkeit“ aufstieg, um nach dem Zweiten Weltkrieg mit Magischem Realismus zu überraschen. Als Dadaist hatte sich der „halbe Autodidakt“, der sich an der Schwabinger Akademie „nicht prüfen lassen wollte“, bereits während des Ersten Weltkriegs geübt. Und zwar in Zürich, mit dem Literaten Walter Serner. Und indem er dem Soldatentum durch Kiffen vor der Musterung entging.

„Haschisch“ heißt dann auch eines der frühen Blätter, das wie viele andere die Winkelzüge seines Lebens belegt. Er begann die Genüsse der Gosse zu zeichnen. Zufluchtsorte wie die „Knutsch-Loge“ im Separee oder Zeitgeister wie der rasende Reporter Egon Erwin Kisch tauchten in den Graphiken auf. Auch literarische Bezüge gab es viele.

Kavaliersdelikte am weiblichen Porträt

Ebenfalls unübersehbar: Schads Faible für Erotik. Seine Kavaliersdelikte am Weiblichen, wenn er etwa die Augen nicht so, wie sie waren, sondern so, wie er sie empfand – also größer – ins Bild rückte. Er war ja flexibel bei den Frauen: Da gab es das klar expressionistisch umrissene Porträt. Dann die Ausführung mit „kühlem Blick“. Und schließlich noch die Version, die vielen besonders schmeichelte: als Fräulein „hingehaucht“.

Seine „Schadographien“ fielen anders aus. Hierbei ging es ihm ums „Komponieren“. Um 1919 hatte er mit diesen collagierten Fotogrammen begonnen, die angeblich Man Ray maßgeblich beeinflusst haben sollen.

Während der NS–Zeit galt Schads Werk als „entartet“, aber das MoMA zeigte 1936 Werke von ihm. Dem Stuttgarter Galeristen Günther A. Richter, aus dessen Edition die Fürther Exponate stammen, ist es zu verdanken, dass Schad nach dem Krieg zur Kunst zurück fand. 1942 nach Aschaffenburg gereist, um Grünewalds „Stuppacher Madonna“ zu restaurieren, blieb er den Rest seines Lebens dort. Die Schmetterlinge und Mondgesichter im Spätwerk stammen somit aus Unterfranken.

Christian Mückl

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