Nürnberger Zeitung, 21./22.5.2011

Hinter dünnen Gläsern an der nackten Haut der Wand


"Soul Train": Zeichnungen in der Kunst-Galerie Fürth

Hier schreit etwas - aber gottseidank nur das Plakat. Es hängt am Eingang der Kunst-Galerie Fürth. Es zeigt einen Affen im Comicstil.

Zweckdienlich knallig geraten, weist es auf die Beteiligung des Hauses am regionalen Ausstellungs-Parcours „Soul Train“ hin. Sobald man jedoch die Eingangstür hinter sich schließt, ist alles ganz anders. Angenehme Stille wirkt. Sie geht von den ausgestellten Bildern aus – und tut erst einmal nur gut.

Galerie-Leiter Hans-Peter Miksch hat mit seinen Beiträgen zur „Position zur Zeichnung“ auf drei Künstlerinnen gesetzt: Auf die in Berlin lebende Anita Stöhr Weber, die aus Oberbayern stammende Christine Leins und auf die in Fürth arbeitende Susanne Roth. Damit ist ihm eine treffliche Auswahl gelungen – aus der auch Mut zum Konzeptuellen spricht.

Die eingangs erwähnte Wucht der Stille geht im hellen Kunstraum von der Klarheit sämtlicher Werke und ihrer Hängung aus. Wobei die 1958 geborene Anita Stöhr Weber das bildnerische Gestalten am kühnsten hinterfragt. Ihre Serie „Malgrund“ besteht aus „Frottagen“ von Leinwänden – also von Spuren erzeugenden Abreibungen. Was ist der Grund für ein Kunstwerk – und was bietet ihm den Grund? Als wäre man selbst der Künstler, blickt man auf die Bildgrundlagen, die noch zu bedecken sind. Aber was schon bedeutet bedecken?

Darum geht es im weiteren Werk. Für ihre Serie „In Sicherheit“ hat die Künstlerin den vergrößerten Abzug eines Deckblatts aufgezogen, wie man es in den Benachrichtigungsschreiben von Banken findet, die einem die persönliche Geheimzahl mitteilen. Das Thema „Unsichtbarmachen“ wird damit angeschnitten, die Absicht, Wahrnehmung auszuschließen – als vermeintlichen Versuch: „Wenn die Daten erst einmal in der Welt sind“, lautet der Werktitel und liest sich wie ein Kommentar.

Ganz anders die Aquarellzeichnungen von Christine Leins (Jg. 1969). Sie muten wie intim gehauchte Farbschatten an. Die Künstlerin tupft winzige Punkte auf Papier und erzeugt so weiche Polster, in geduldiger Feinarbeit der Helligkeit abgetrotzt. Wenn Galerieleiter Miksch sagt, das Brillieren der Künstlerin könnten nur jene Betrachter ermessen, die diese stillen Werke leibhaftig vor Augen hätten, trifft er einen Kern des Werks.

Die Papierarbeiten von Susanne Roth sind ebenfalls frei von allem Ballast. So gilt auch ihre Konzentration der Empfindung, die im Wesentlichen steckt. Dass die 1973 geborene Künstlerin altes Papier sammelt, ist das eine. Das andre aber ist, dass es ihr gelingt, aus den „verlebten“ Blättern quasi ein Eigenleben herauszukitzeln – das sie dann zum Beispiel in linierten Intervallen entlädt.

Gelöst von solchen Spannungszuständen nehmen sich dagegen Roths sommerlich leichte Acrylzeichnungen der Serie „Zweisam“ aus. Auf ihnen ist der Pinselweg von je zwei Farbspuren zu sehen, die sich gleichsam wie ein Tränen- oder Freudenfluss treffen oder verlieren. „Zweisam“ sind sinnliche Blätter hinter dünnen Gläsern auf der nackten Haut der Wand.

Christian Mückl

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