Nürnberger Zeitung, 17./18.9.2011

"Lucky", eine neue Fotoausstellung in Fürth


Spannungsvolle Spiegelbilder im kindlichen Auge

Schön ist die Kinderzeit? Das behaupten die meisten Menschen erst Jahrzehnte, nachdem sie vorbei ist – wenn überhaupt. Der Mythos von den seligen Momenten der Unbeschwertheit und des ungehemmten Spieltriebs – all das nimmt man bewusst erst dadurch wahr, dass man es vermisst – und im gleichen Augenblick verklärt.

Mit solchen Sentimentalitäten hat die aktuelle Ausstellung der Kunst-Galerie Fürth nichts am Hut. Das Kindchenschema von lachenden, ausgelassenen, fröhlichen Mädchen und Jungen aus den Familienalben ist hier nicht zu finden. Gerade das zeichnet die kleine Schau aus, die Galerie-Leiter Hans-Peter Miksch mit einer Auswahl von neun namhaften Künstlern zusammengestellt hat; mit der Hilfe eines Sponsoren, der nicht genannt werden will. Was Miksch mit seiner Auswahl von 33 Bildern präsentiert, ist hochklassig und vom Konzept her ebenso heterogen wie durchdacht.

Frappierende Ausdruckskraft

Miksch mag es, wenn die Erwartungen des Betrachters unterwandert werden. „Nur das“, weiß er, „löst Erkenntnisse aus.“ Klischees kamen für ihn nicht infrage. „Man soll den Kindern ihren Ernst lassen“, sagt er. Die neun Fotografen geben ihm recht: Es ist frappierend, welche kindliche (Ausdrucks-)Kraft sich hier entdecken lässt. Dabei dominiert – etwa auf den Aufnahmen des 40-jährigen Potsdamers Göran Gnaudschun oder den zwei Großformaten des seit langem etablierten Bernhard Prinz (58, Ex-Fürther) wie bei der Altmeisterin Herlinde Koelbl – der frontale, direkte, überraschend nüchterne Blick; vom Fotografen auf das Kind ebenso wie umgekehrt. Die jungen Gesichter wirken fast durchweg verblüffend autark, teilweise wie ausgeprägte Persönlichkeiten. Noch weitgehend frei von den Spuren des Lebens, ja, aber – so scheint es – auf alles gefasst; ohne, dass deshalb die Kindheit gleich zur Problemzone erklärt werden muss.

Am stärksten ist das auf den Bildern der aktuell hochgehandelten Deutsch-Russin Anna Skladmann sichtbar, die mit der Serie „Little Adults“ Aufsehen errregt hat. Der neureiche russische Nachwuchs, mag er Wonka oder Alissa heißen, posiert vor ihr ungeniert und selbstbewusst im Nerz oder im historischen Theater des Großvaters: Spiegelbilder von Erwachsenen im kindlichen Auge.

Im krassen Gegensatz dazu – und auch wieder nicht – stehen die neugiereigen Kinderblicke, die der Nürnberger Bernd Telle in Indien aus dem Auto fotografiert hat; und die vier Bilder, die Achim Lippoth in einer chinesischen Sporthalle gemacht hat. Trainieren statt toben lautet da die staatlich verordnete Devise; ein etwa Sechsjähriger presst an der Sprossenwand mit eiserner Disziplin die Lippen aufeinander; erschreckend perfekt beherrscht er schon den Körper.

Man verlässt die Galerie nicht, ohne einen Blick auf Kinderausgaben von Penélope Cruz oder Boris Becker zu werfen. Die Serie des tschechischen Ehepaars Barbara Zurkova & Radim Zurek präsentiert irritierende Vexierbilder und spielt mit der Grenze zwischen Doppelgängermotiv und (noch?) fiktiven Klonen beliebter Medienstars. Es sind, wie auch alle anderen hier, Bilder, in denen man lange lesen kann. Die Fahrt nach Fürth wird hiermit dringend empfohlen.

Tamara Dotterweich

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