Bayerische Staatszeitung, München, 7.10.2011

Wie die Großen

Die kunst galerie fürth zeigt Kinderporträts in der Fotografie


Während das Porträt in der Kunst derzeit mit zwei großen klassischen Ausstellungen in Berlin (Bode-Museum) und in München (Hypo-Kunsthalle) Triumphe feiert, steuert die städtische Kunst-Galerie Fürth eine beachtliche fotografische Exposition zum Thema bei: „Lucky – Kindheit in der zeitgenössischen Fotografie“ versammelt 33 Kinderporträts von neun international renommierten Künstlern und gibt einen ernüchternden Blick frei auf den Mythos der Kindheit, die wohl nur aus der Sicht der Erwachsenen so „lucky“, so glücklich ist.

Als sensationell wurde vor Kurzem die Fotoserie Little Adults von Anna Skladmann empfunden, in der sich die Kinder russischer Oligarchen in selbst gestellten und arrangierten Posen präsentierten: vor einem prunkvollen Oldtimer etwa oder als kleine Diva im echten Nerz oder gar als Impressario mit Frack und Fliege im Privattheater des Großvaters.

Im Kontrast dazu, aber nicht minder verstörend die Bilder des Kölner Fotokünstlers Achim Lippoth, Herausgeber des künstlerisch gestalteten Kindermoden-Magazins Kid’s Wear; er zeigt zerstörte Kindheiten in China, wenn er den total an der Höchstleistung ausgerichteten Drill im Training angehender Leistungssportler mit der Kamera festhält: Kindersport, dem das Wort Spiel fremd ist, der sich nur am Erfolg orientiert und damit die gesellschaftlichen Normen der um jeden Preis aufstrebenden Weltmacht widerspiegelt.

Ein Vexierspiel ganz anderer Art betreibt das Künstlerpaar Barbora Zurkova und Radim Zurek, wenn sie in ihren Fotografien Kinder wie Klone von Berühmtheiten, von Boris Becker bis Pele und Penelope Cruz, ins Bild setzen bzw. montieren; und damit die Erwartungshaltung der Erwachsenen auf Kinder projizieren, die nicht mehr Kinder sein dürfen, sondern schon von Kindesbeinen an auf die (Schein)Ideale der nur auf Erfolg und Karriere getrimmten Warenwelt eingeschworen werden.

Diesen Kinder-Helden setzt Julia Kissina in ihrem Bild Heros ein Denkmal; denn er ist buchstäblich von Kindesbeinen an mit drei Beinen ausgestattet, um in dieser „schöne neuen Welt“ nicht auf beiden, sondern eben gleich auf drei Beinen zu stehen.

Da kann „Charlotte“ nur staunen: Herlinde Koelbl zeigt mit diesem Foto die „verschwundene Kindheit“ als trügerisches Idyll im Blümchenkleid und mit dem rührend scheiternden Versuch, die Ärmchen selbstbewusst zu verschränken, um es den „Großen“ gleich zu tun.

F. J. Bröder




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