Nürnberger Zeitung, 14./15. Januar 2012

Geteilte Gesichtsschreibung


Wolfgang Mattheuer in der kunst galerie fürth

Am Sonntag wird in Fürth die Ausstellung "Solange die Sonnen noch nicht im Schwarz ersaufen ..." eröffnet. Die Werke des ostdeutschen Malers Wolfgang Mattheuer (1927–2004) berühren darin Kunstgeschichte wie auch Zeitgeschichte.

Die Teilung steht Mattheuer nicht nur ins Gesicht geschrieben, sondern auch ins Leben und ins Werk. „Selbstbildnis“ heißt ein Blatt, das gleich eingangs in der Ausstellung hängt und auf dem der Künstler sich in zwei Gesichtshälften geteilt gezeichnet hat: lächelnd die eine, die andere ernst. Es waren die Folgen der deutschen Trennung, die im Werk des Künstlers aus dem Vogtland Spuren hinterließen. Geteilt hat er aber auch selbst: Seine Arbeit ist in „Problembilder“ und in „Erholungsbilder“ aufgefächert. Insgesamt sind davon in Fürth 68 sinnträchtige Arbeiten auf Papier zu sehen.

Es handelt sich um Leihgaben des westdeutschen Sammlers Peter Mathar aus Düren, der die größte private Kollektion an Blättern des Ostdeutschen besitzt. Mathar war im vergangenen Jahr auf Galerieleiter Hans-Peter Miksch zugekommen, als die Fürther Galerie städtischen Sparmaßnahmen zum Opfer zu fallen drohte. Da bot der Sammler seine großzügige Unterstützung an, falls Ausstellungsinteresse bestehe. Miksch fuhr nach Düren, sah – und sagte ja.

„Solange die Sonnen noch nicht im Schwarz ersaufen, will ich meine Bilder machen, rücksichtslos, trotz alledem: mit einer Hoffnung, dass die Welt nicht ganz draußen bleibt.“ Den Titel hat Galerieleiter Miksch einem Tagebuch Mattheuers von 1979 entnommen. Er drückt Zuversicht und den Wunsch nach Weltoffenheit aus.

Politisch wanderte der Ostdeutsche, der zu den prominentesten DDR-Malern zählte und als Mitbegründer der „Leipziger Schule“ gilt, auf schmalem Grat: Dass er SED-Mitglied war, ermöglichte ihm, zu reisen und 1977 an der documenta in Kassel teilzunehmen. Den Schulterschluss mit dem Regime, wie ein Willi Sitte ihn praktizierte, suchte er hingegen kaum. Stattdessen gab er 1974 seine Professur ab und war fortan freischaffend tätig.

Und zwar, in dem er vor allem sehr parabelhaft zeichnete, bildhauerte und malte: Sisyphus, Ikarus oder auch Phoenix sind oft Gäste in seinen figurativen Werken. Sie werden als Bildpersonal um kafkaeske Kreaturen mit Kartons auf den Köpfen oder um symbolträchtig codierte Landschaften ergänzt. Dazu geht bedeutungsschwanger die Sonne auf, draußen brennen die Welten, drinnen die Nerven. Und auf das Pathosvokabular der gereckten Faust wollte der Maler leider ebenfalls nicht verzichten. Ästhetisch betrachtet sind die „Problembilder“ vor allem Zeitdokument.

Anders, die Zeichen des Privaten. Wenn Mattheuer einen winzigen Sohn auf den übermächtigen Schattenvater einprügeln lässt, hat solche Innensicht zeitlose Relevanz. Und die skizzenhafte Darstellung eines Trabi-Manns am Meer, wie ihn der Künstler mit kargem Strich gezeichnet am Bildrand gerade noch dabei sein lässt, findet eine eindringlichere Sprache fürs brachial Existenzielle als manches antike Leit- und Leihmotiv.

Christian Mückl

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