Nürnberger Nachrichten, 14./15. Januar 2012

Maskenspiele in Kunst und Gesellschaft


Ein großer Name in der kleinen Fürther Galerie: Zeichnungen von Wolfgang Mattheuer sind ausgestellt

Wie heißt es so schön: In allem Schlechten steckt auch etwas Gutes. Und so profitiert die kunst galerie fürth jetzt mit einer Ausstellung von Wolfgang Mattheuer davon, dass man sie vor gut einem Jahr abschaffen wollte.

Als die drohende Schließung der Fürther Galerie im Herbst 2010 auch überregional für Schlagzeilen sorgte, formierte sich ein breiter Unterstützerkreis für die Kulturinstitution in der klammen Stadt. Aus Düren bei Köln kam ein verlockendes Angebot: Peter Mathar, Sammler und Freund des 2004 verstorbenen Malers und Grafikers Wolfgang Mattheuer, wollte helfen und bot Galerie-Leiter Hans-Peter Miksch seine gesammelten Grafik-Schätze zur Präsentation an. Kostenlos versteht sich. „Wir mussten auch für den Transport nichts zahlen und die Mattheuer-Stiftung übernahm die Katalogkosten“, sagt Miksch erfreut über die „Spätfolge“ des kleinen kulturpolitischen Erdbebens.

Das spült nun einen großen Namen der (DDR-)Kunstgeschichte in das kleine Fürth. „Es ist meines Wissens die erste Mattheuer-Ausstellung in der Region“, sagt Miksch und hofft mit den figürlichen Darstellungen aus sechs Jahrzehnten auch Publikum anzulocken, das mit der zeitgenössischen Kunst nicht so vertraut ist. 68 Blätter sind ausgestellt. Miksch durfte sie aus der Dürener Kollektion, immerhin die größte Privatsammlung von Mattheuer-Arbeiten auf Papier, auswählen. Entschieden hat er sich für viele „Problembilder“ und ein paar „Erholungsbilder“. Diese Begriff stammen von Mattheuer selbst und stehen für die beiden Richtungen in seinem Schaffen: politisch-engagierte Parabeln und (vermeintlich) idyllische Landschaften. Die allerdings sind, wie es Miksch formuliert, „stets doppelt konnotiert“. Das Publikum in der DDR, wo Mattheuer zusammen mit Werner Tübke und Bernhard Heisig Mitbegründer der berühmten „Leipziger Schule“ war, verstand die Anspielungen auf die abgeschottete Insellage der Heimat, die Sehnsucht nach dem Westen und der Freiheit, das Maskenspiel im Spitzelstaat. Mattheuer entwickelte eine Methode, gesellschaftliche Konflikte im real existierenden Sozialismus als biblische oder mythologische Gleichnisse zu erzählen: Sisyphos, der unermüdlich den Stein rollt, und Ikarus mit seinem Traum vom Fliegen sind immer wiederkehrende Figuren in seiner malerisch verschlüsselten Gesellschaftskritik. Und weil sich Mattheuer nicht als DDR-Maler, sondern als malender Weltbürger verstand, griff er auch weltpolitische Themen auf — von Chile bis Algerien.

Der Künstler, der 1927 im Vogtland geboren wurde, war zwar Mitglied der SED, bekam aber laut Miksch nie einen öffentlichen Auftrag der Partei. „Von den berühmten DDR-Malern war er derjenige, der am wenigsten mit dem Staat verquickt war“, sagt der Ausstellungsmacher und wählte ein sehr schönes Zitat Mattheuers als Titel für die Präsentation: „Solange die Sonnen noch nicht im Schwarz ersaufen, will ich meine Bilder machen ... Meine Sonnen heißen ,Trotz alledem’.“

Mit seiner Werkauswahl stellt Miksch das Schaffen das Documenta- und Venedig-Biennale-Teilnehmers griffig und übersichtlich vor. Dessen Gemälde sind deutlich imposanter und beeindruckender als die Grafiken — aber eben auch deutlich teurer. In der Mathar-Sammlung sind dafür Studien zu berühmten Werken wie dem Gemälde „Erschrecken“ oder der Eisenskulptur „Jahrhundertschritt“. Und der Maler zeigt sich im Selbstporträt — halb lachend, halb traurig mit einer imaginären Grenze im Gesicht.

Birgit Ruf

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