Fürther Nachrichten, 12./13. Mai 2012

Verborgene Vielfalt, hinreißende Hingabe


Eine Ausstellung mit Ausrufezeichen: Heike und Norbert Kleinleins Skulpturen in der kunst galerie fürth

„Skulptur!“ heißt die Schau der Arbeiten von Heike Kleinlein und Norbert Kleinlein, die die kunst galerie fürth ab diesem Wochenende zeigt. Was im Titel nach kategorischem Imperativ klingt, entpuppt sich als spannungsreiches Nebeneinander zweier eigenständiger Künstler.

Es ist eine dieser Ausstellungen, bei der man besser die Hände fest hinter dem Rücken verschränkt. Die Versuchung ist groß, eine von Heike Kleinleins Gefäß-Skulpturen zu berühren. Zu verlockend erscheinen die Formen und die unterschiedliche Textur der Glasuren. Wer sich zurückhält und aufs Schauen beschränkt, wird mit der Entdeckung überraschender Nuancen und Details belohnt.

Die Keramiken, die die Künstlerin präsentiert, erinnern nur auf den ersten, sehr flüchtigen Blick an Alltagsgegenstände. Was wie Kannen oder Karaffen anmutet, ist reduziert auf eine Grundform, die zum Ausgangspunkt überlegter Formstudien wird. Heike Kleinlein, 1945 im bayerischen Dettelbach geboren, untersucht und gestaltet die Vielfalt, die in jedem ihrer Gefäße verborgen ist. Dafür schneidet sie fertige Arbeiten noch einmal auf, zieht schnabelhafte Vorsprünge heraus, lässt Vertiefungen ein.

Für Heike Kleinlein, die ihre Objekte nie an der Drehscheibe formt, sondern aus Tonrollen Stück für Stück aufbaut, ist die Zeit mit einem Werkstück „Meditationsarbeit“. Das bewusst verlangsamte Vorgehen biete ihr mehr Möglichkeiten, die Gestaltung des grob schamottierten Arbeitstons, den sie stets benutzt („den kann ich besser spüren als feinen Ton“) zu beeinflussen. Besondere Hinwendung steckt auch in den Glasuren für ihre Arbeiten. Sie bestehen im Prinzip aus Feldspat, Wasser und Asche. „So entstand etwa eine Apfelascheglasur von einem Baum aus einer Streuobstwiesen an der Donau, der gefällt werden musste und dann verbrannt wurde“, erklärt Heike Kleinlein. Andere Glasuren basieren auf Asche von Eichen aus dem Steigerwald oder Rebstöcken von Grünem Veltliner aus der Wachau.

Norbert Kleinlein, ebenfalls Jahrgang 1945 und aus Burgellern bei Bamberg stammend, zeigt in der überlegt konzipiert und gestellten Schau Installationen, die auf erstaunlich zurückhaltende Art die Gedanken des Betrachters mit Geschichten fluten. Schlicht und reduziert wie die Arbeiten von Heike Kleinlein sind auch seine. Da sind zum Beispiel vier Stühle auf Kopfhöhe an der Wand montiert, jeder davon ist mit milchigem Vulkolan — ein Material, das die Industrie für Verpackungen nutzt — verhängt. „Dazwischen des Schweigen“ nennt er diese Arbeit; prompt entstehen Bilder im Kopf.

Ein Effekt, der sich ebenso zuverlässig auch vor seiner Installation „Die Geschichte der...“ einstellt. Wieder sind es die ganz persönlichen Bezüge, die plötzlich mit der größten Selbstverständlichkeit diese Arbeit zum Sprechen bringen. Von der Empore der Galerie prägt sein „Immer wieder“ den ganzen Raum. Eisenstangen und hautfarbenes Vulkolan, das an Fleischerhaken hängt, ruft Gedanken an Schmerz, Angst und Unvermeidliches wach.

Eine einzige gemeinsame Arbeit hat das Paar mitgebracht — entstanden aus zwei Gefäßen, die sie nach der Fertigung aussortierte. Er griff die Fundstücke auf und ließ Neues werden. „Die Prächtige“ heißt das Objekt, das sich auf zwei Urheber berufen kann. Ein umfassender Titel. Eine sehenswerte Schau. Ausrufezeichen.

Sabine Rempe

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