Nürnberger Zeitung, 15./16. September 2012

Malerei mit der Nähmaschine

"Kleid.Bild.Skulptur." in Fürth


Die Kunst-Galerie Fürth ist jetzt gut "betucht". Am Sonntag um 11 Uhr eröffnet Olga von Moorende ihre sehenswerte Ausstellung "Kleid.Bild.Skulptur".

Streng betrachtet hat die Künstlerin 1987 ihr letztes Bild gemalt. Das war der Abschluss ihrer Akademie-Zeit. Seither „malt“ sie mit Stoffen. Seither entstehen Kleider, die wie Bilder aussehen. Ihr Nürnberger Professor, Karl-Georg Pfahler, soll ja diejenigen Studierenden besonders gefördert haben, die Gattungsgrenzen munter überschritten. Bei von Moorende (geb. 1960) ging die Rechnung voll auf.

Mit massenkompatibler Mode von der Stange haben die wilden, farbenfrohen Kleider der Künstlerin „nichts am Hut“. Wenn schon, dann hätten sie eher was „an der Haube“, wie sie ihre originellen Kopfbedeckungen aus Filz nennt: Sie muten zum Beispiel wie Lavalampen, Blätter, Muscheln oder Kakteen an. Ihre textilen Kreationen für den restlichen Körper wiederum tragen bezeichnende Titel wie „Raupenkleid“, „Spinnenkleid“ oder „Hühnerwunsch“ und stehen den „Hauben“ an Ideenreichtum nicht nach. Es ist Kleidung, die eine Haltung zum Ausdruck bringen soll: Freiheit als Stoff, aus dem die Künste sind.

Zweifelsohne bedarf es Mut, von Moorendes bildgewordene Kleider zu tragen, mit dem Körper als Skulptur. Doch Mut sei ja ohnehin „eine Anschaffung fürs Leben“, wie die gebürtige Bremerin mit Werkstatt in Schnaittach betont. Nicht wenige scheinen den Mumm zu haben, wie die Ausstellung und der Katalog mit Models aus dem Bekanntenkreis der Künstlerin zeigen. Dass die näh- und fantasiebegabte Erfinderin ein Textil-Junkie ist, stets auf der Suche nach Stoffen, wird deutlich, wenn sie sagt: „Ich müsste gar keine mehr kaufen, meine Sammlung reicht fürs Leben.“

Gleichwohl sind ihr Bordüren, Fransen, Lackstoffe, Mischgewebe, Reißverschlüsse, Seidenfäden oder Webpelze freche Steilvorlagen für neue Kombinationen, die dann Zierfisch-, Koifisch- und Pinkfischkleider heißen können. Oder auch schlicht Paradiesvogelkleid, Bauernhofkleid oder Multivitamin. Wundertütenkleider nennt sie manche mit bis zu 30 Taschen. Alle „Werke“ sind praktisch nutzbar, in der Waschmaschine überlebensfähig, nur nie mit Mode-Diktaten konform.

„Ja, ich zeichne seit 25 Jahren mit der Nähmaschine, und wenn ich den Faden hängen lasse, ist er eine Linie, die von der Fläche in den Raum übergeht“, bekennt sich von Moorende zur Kunst. Für ihre „freundlich-radikale Antithese“ zu der oft uniformen Modebranche wurde ihr auch schon der Grassispreis verliehen. Der Mut von Galeriechef Hans-Peter Miksch zur Nahtstellen-Schau zahlt sich ebenfalls aus: Den Räumen stehen die sinnlichen Formen und Farben prächtig.

Christian Mückl




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