Fürther Nachrichten, 10./11. November 2012

Ort des Lernens, Ort des Genusses

Die kunst galerie fürth feiert zehnjähriges Jubiläum — Auf Geburtstagsempfang folgt Fest - 11.11.


Mit einem Galeriefest voller Theater, Performances und Musik feiert morgen die kunst galerie fürth zehnjähriges Bestehen. Bereits am Mittwoch lud Galeriechef Hans-Peter Miksch die Mitglieder des Fördervereins, Stadtspitze und Kunstszene zum Geburtstagsempfang — eine Mittagsstunde mit schmerzhaften Erinnerungen und bemerkenswerten Reden

Ja, doch, es kommen von Zeit zu Zeit noch immer Mitmenschen zur gläsernen Tür herein, die nach dem Geldautomaten fragen. Und wo denn neuerdings der Schalter stehe. Nun ist das ehemalige Gebäude der Kreissparkasse am Königsplatz seit Herbst 2002 kein Haus des Geldes mehr, sondern der Kunst. Das einzusehen braucht Geduld; vielleicht wissen alle Fürther ja bis 2102 Bescheid, denn die städtische Kulturreferentin Elisabeth Reichert wünscht diesem „Ort der Inspiration, der Qualität und der Kreativität“ nicht weniger als dass er seinen 100. Geburtstag erlebt. Als sie das sagt, denkt sicher jeder der 100 Gäste: Schön gesagt, aber fast hätte es doch nicht mal zum achten gereicht.

Jahrzehntelang war Fürth die Stadt ohne städtische Kunsthalle; jahrzehntelang stritt man, verwarf Ideen, baute Luftschlösser und schaute doch stets resigniert in die Schatulle. Zur Jahrtausendwende aber kam das Projekt in Fahrt, aus der Stadt ohne Kunsthalle wurde erst die Stadt mit der kleinsten — 190 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind rasch durchschritten —, 2010 dann, in einem unvergesslich interessanten Herbst, beinah die Stadt mit der am schnellsten wieder geschlossenen Kunsthalle.

„Es ist passiert, und es hätte nicht passieren dürfen“, bekennt an diesem Mittwochmittag ein sichtlich angefasster Oberbürgermeister Thomas Jung. Im 20-Millionen-Euro-Sparpaket der Stadt sollte nämlich auch die tote kunst galerie fürth liegen; ein Haus, das zwar jung, doch bis dahin bereits von Hans-Peter Miksch mit guter Hand für neue Geschmackserlebnisse zu überregionaler Prominenz geführt worden war. Intern, sagt Jung, sei er es gewesen, der von der Devise „Wir sparen überall, aber erhalten alles“ nicht habe abrücken wollen. Doch die Kämmerei blieb, obwohl Jung „dringend abriet“, eisenhart; ihr Plan, das Aus der Galerie zu besiegeln, wurde öffentlich. Jung ist noch immer beeindruckt vom Sturm der Entrüstung, der daraufhin nicht nur in Fürther Kunstkreisen losbrach. Ihm seien „die Grenzen dessen gezeigt worden, was ein engagiertes Bürgertum hinzunehmen bereit ist“. Der Förderverein, 2012 von Christina Pallin-Lange geführt, sprang mit der finanziellen Not-Infusion (drei Jahre mit je 18000 Euro) ein, auch die Fürther Gesellschaft der Kunstfreunde bewies, was Freundschaft heißt; dank ihrer Hilfe weihte Miksch am Donnerstag übrigens eine neue Tonanlage ein.

Neue Perspektiven für vernünftiges künstlerisches Arbeiten gebe es Ende 2012 ebenfalls, so der OB: „Was wir nun in Fürth haben, das erwirtschaften wir. Bis vor zwei Jahren war alles auf Pump.“ Dennoch sei Fürth, etwa im Direktvergleich mit dem Gewerbesteuer-Paradies Regensburg, „eine arme Stadt“; umso mehr Anerkennung verdiene Mikschs Bemühen, aus sehr wenig Mitteln sehr viel zu machen und selbst ihn, dem in Kunstdingen laut Selbstauskunft wenig bewanderten OB, in einen interessierten, neugierigen Besucher zu verwandeln.

Geschenke bringt Jung nicht mit. Galgenhumorist Miksch, der eingangs in seiner Begrüßung die Hoffnung hegte, dass der städtische Sicherheitsbeauftragte vielleicht doch eines Tages den Aufenthaltsraum der Kinder- und Schulgruppen abnehme, darf immerhin in warmen Worten der Zuneigung baden. Und was wärmt sein Herz nach 67 Ausstellungen über die Maßen? In der „kulturWelt“ von Bayern2 äußerte er dieser Tage, an die Schau mit O. Winston Links Fotos amerikanischer Dampfeisenbahnen — der Publikumserfolg des Sommers 2010 — erinnere er sich besonders gern.

Zuletzt schlägt die Stunde des Festredners und geistreichen Levitenlesers Ewald Arenz. Die Arbeitshypothese des Schriftstellers und Pädagogen: Fürth und die Fürther überleben auch ohne kunst galerie; die hat rund 30 Besucher am Tag, niemals Warteschlangen bis zur Gustavstraße und verbrät eineinhalb Stellen. Man braucht sie nicht, „sie ist ein ungeheurer Luxus, eine vollkommen undemokratische Einrichtung.“

Doch auch guter Wein sei Luxus, wie Safran im Reis, ein sorgsam gereifter Käse, ein Diamant im Ehering. Der Mensch brauche Luxus nicht, und doch habe er ein Grundbedürfnis nach Luxus, nach Genuss — Genuss, den es zu erlernen gelte. Nur wer lernt, kann guten Wein von schlechtem unterscheiden. Und der Kunstgenuss? „Diese Galerie“, so Arenz, „bringt uns bei, wie man Kunst schmecken lernt. Hier lernt nicht nur die 53-jährige Lehrerin, sondern hier lernen schon Kindergartenkinder.“ Eine Stadt könne auf Blumenschmuck verzichten, auf Theater und Galerien, natürlich. „Aber man spart nichts, sondern wird arm dadurch“.

Nicht nur in Jungs Mienenspiel: Nachdenklichkeit. Dann langer Applaus.

 

Matthias Boll

 

 




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