Liebe Fürtherinnen, liebe Fürther,
Anfang Juni besuchte ich das Treffen aller deutschen Oberbürgermeister beim Städtetag in Dresden. Überall hängen dort Plakate, die verkünden, dass Dresden eine weltoffene Stadt sei. Trotzdem ist die Sachsenmetropole seit Monaten Mittelpunkt von Kundgebungen mit vielen Tausend Teilnehmern, die sich lautstark gegen die Integration ausländischer Mitbürger und ein gemeinsames Europa wehren.
Dies überrascht vor allem, weil in Dresden nicht einmal drei Prozent Ausländer leben. Zum Vergleich: Fürth: 16,6 Prozent, Nürnberg 17 Prozent, andere Städte wie beispielsweise Offenbach nahezu 30 Prozent.
Man kann also auch aus faktisch nicht vorhandenen ausländischen Mitbürgern vermeintliche Probleme konstruieren. Man kann aber das Zusammenleben mit Menschen anderer Nationen auch als Chance und Bereicherung begreifen – eine Einstellung, die ich ganz klar bevorzuge. So war es für mich erst kürzlich wieder ein schönes Erlebnis, bei der Einbürgerungsfeier Menschen aus Äthiopien, China, Kamerun, Mosambik oder Paraguay und Pakistan zur deutschen Staatsbürgerschaft gratulieren zu dürfen. Sie bereichern Fürth mit ihrem kulturellen Hintergrund, mit ihren Erfahrungen und Ausbildungen in vielfältiger Weise.
Ich verkenne nicht, dass es auch viele Menschen gibt, die rein aus wirtschaftlichen Gründen in unser Land kommen. Dauerhaftes Asyl für Menschen aus EU-Staaten kann es leider nicht geben und hier müssen die staatlichen Behörden auch schneller handeln. Flüchtlinge, die wegen Krieg, Gewalt und Verfolgung ihre Heimatländer verlassen, müssen aber bei uns ein neues Zuhause finden. Genauso brauchen wir für unser Rentensystem und die wirtschaftliche Stabilität die Zuwanderung tüchtiger Frauen und Männer, die hier lernen, studieren und arbeiten möchten.
Eine Willkommenskultur sollte an jedem Ort selbstverständlich sein. Dazu reicht es aber nicht, Plakate auszuhängen – das Gefühl, willkommen zu sein, muss täglich von allen Bürgerinnen und Bürgern gelebt werden.
Wir sollten hier in Fürth aufgrund unserer Geschichte Vorbild sein. Christen und Juden haben über Jahrhunderte hinweg in einer in Deutschland einzigartigen Form in Fürth und zusammengelebt, sie haben unsere Stadt bereichert und vorangebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Kleeblattstadt viele tausend Vertriebenen aus Schlesien, Pommern und dem Sudeten-land eine neue Heimat gegeben. In den 1990er Jahren gelang es, viele Menschen aus Russland zu integrieren und nun sollte das auch mit den Flüchtlingen gelingen. Das kostet zweifelsohne Kraft und Geduld, ist aber nicht nur ein Akt der Menschlichkeit, sondern ist meiner Meinung nach auf lange Sicht auch eine große Chance für ein weiterhin vielfältiges, offenes und spannendes Fürth.
Ihr Dr. Thomas Jung
Wenn Sie mit Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung in Kontakt treten möchten, schreiben Sie bitte einen Brief an:
Stadt Fürth Bürgermeister- und Presseamt Stichwort: Leserbrief 90744 Fürth
|